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| Leben und Werk Dietrich Bonhoeffers Am 4. Februar 1906 wird Dietrich Bonhoeffer als sechstes von acht Kindern in Breslau geboren. Der Vater, Karl Bonhoeffer, ist ein renommierter Psychiater und Neurologe und wird später Leiter der Berliner Charité. Die Mutter, Paula Bonhoeffer, ist adeliger Abstammung. Die Familie gehört zur gesellschaftlichen Spitze des Bildungsbürgertums. Die Erziehung folgt den Werten der Pflichterfüllung und der Beherrschung des Affektiven. Die Mutter unterrichtet die ersten Jahre ihre Kinder selbst. Sie animiert zu kritischem Denken. Ruhe, Ordnung und Gehorsam als dominierende Werte preußischer Kultur werden in Frage gestellt. Sie vertritt die Ansicht, den Deutschen würde im Verlauf ihres Lebens zweimal das Rückgrat gebrochen: in der Schule und beim Militär. Das Haus der Familie Bonhoeffer ist ein weltoffenes Haus. Für Dietrich bedeutet das unterschiedlichste Begegnungen und Einflüsse.
Der junge Deutsche freundet sich mit einem französischen Studienkollegen an. Zunächst vermag er in ihm nur den Feind des vergangenen Krieges erkennen. Ein Feind, der ihn alsbald mit einem sich auf das Friedensgebot der Bergpredigt berufenden Pazifismus entwaffnet. Der Sohn aus gutbürgerlichem Hause verbringt viel Zeit in den schwarzen Gemeinden Harlems. Er ist zutiefst beeindruckt von einer Kirche, die sich in Zeiten der tiefsten wirtschaftlichen Krise dem Massenelend der Armen widmet. Das Evangelium, erkennt Dietrich, gibt seinen Auftrag über alle sozialen und nationalen Grenzen hinweg. Es bekommt ein politisches Gesicht und gibt einen konkreten Auftrag zu handeln. Wieder zurück in Berlin arbeitet Dietrich Bonhoeffer seit dem Sommer 1931 als Privatdozent, Studenten- und Jugendpfarrer. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten unter der Führung Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 erweist sich der evangelische Theologe als entschiedener und unerschrockener Gegner des nationalsozialistischen Unrechtssystems. Ein bereits zu einem früheren Zeitpunkt verfasster Rundfunkbeitrag über den "Führerbegriff" wird am 1. Februar 1933 ausgestrahlt. Er erscheint den Verantwortlichen des Senders politisch derart brisant, dass sie ihn vorzeitig abschalten. Führung ist für Bonhoeffer nicht grundsätzlich verwerflich, sofern sie einer guten Sache dient. Der Führer hat einen begrenzten Erziehungsauftrag. Er soll das Individuum zu Reife und Verantwortlichkeit in der Gesellschaft geleiten. Das mündige Individuum schließlich bedarf der Führung nicht länger. Das Bild des Führers gleite über in das Bild des Verführers, missachte dieser die Begrenztheit seiner Aufgabe und die eigene Verantwortung: "(...) Führer und Amt, die sich selbst vergotten, spotten Gottes". Ein derart definierter Führerbegriff hat wenig gemein mit dem unbedingten Führungsanspruch eines Adolf Hitler und der kollektiven Flucht der Deutschen aus der Verantwortung in den Führerkult, die die Jahre bis 1945 prägen sollten. Die sofort einsetzenden staatlichen Repressionen gegen Juden bewegen den evangelischen Theologen als einen der ersten Kirchenmänner zu einer Stellungnahme. Er hält seine Position in einem Aufsatz fest, den er vortragen und veröffentlichen kann. Grundsätzlich gesteht er dem Staat zu, die Judenfrage gesetzlich zu ordnen. Die Kirche habe allerdings das Recht und die Pflicht, den Staat auf die Legitimität seines Handelns hin zu befragen. Bonhoeffer lässt keinen Zweifel daran, dass er diese in der nationalsozialistischen Judenpolitik nicht gegeben sieht. Die Kirche habe angesichts schwerwiegender Verletzungen grundlegender Menschenrechte zweitens die Pflicht, den Opfern staatlicher Unrechtshandlungen beizustehen. Die dritte und radikalste Form des Widerstandes bestehe aber darin, "nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen (...)". Die folgenden Jahre sind gekennzeichnet vom Kampf gegen die Gleichschaltung der Kirche, gegen den Krieg, gegen terroristische Maßnahmen des Staates, gegen Rassendiskriminierung und Führerprinzip. Im Oktober 1933 übernimmt Bonhoeffer ein Pfarramt in London. Von der Insel aus führt er seinen entschiedenen Kampf gegen die Deutschen Christen, den Teil der evangelischen Kirche, der sich mit den Nationalsozialisten arrangiert hatte, fort. 1934 konstituiert sich die Bekennende Kirche als Gegenkirche zur deutschchristlichen Reichskirche. Allerdings zeichnen sich innerhalb der Bekennenden Kirche zwei Pole ab: Der eine, unpolitische, sich gegen Irrlehren und Gewalt in der Kirche richtend und der zweite, politische, sich auch gegen das Unrecht im Staat richtend. Zu letzterem zählt Bonhoeffer. Die unpolitische Haltung der Bekennenden Kirche geht ihm nicht weit genug: "Es muss endlich mit der theologisch begründeten Zurückhaltung gegenüber dem Tun des Staates gebrochen werden – es ist ja doch alles nur Angst (...). ‚Tu deinen Mund auf für die Stummen‘ – wer weiß denn das heute noch in der Kirche, dass dies die mindeste Forderung der Bibel in solchen Zeiten ist." Seine guten Verbindungen ins Ausland nutzt er, um Emigranten aus Deutschland behilflich zu sein. Um Widerstand zu leisten, bedarf es des Mutes. Selbst Bonhoeffer musste um ihn kämpfen. Als ihn seine Schwester Sabine bittet, den Gedenkgottesdienst für ihren verstorbenen jüdischen Schwiegervater zu halten, fehlt selbst ihm die nötige Zivilcourage. Noch lange hadert er mit diesem Moment der Schwäche. Von London aus engagiert er sich weiter stark für die ökumenische Bewegung. Auf der ökumenischen Konferenz in Fanö erreicht er eine von der Reichskirche distanzierende Erklärung. Am 28. August 1934 hält er in Fanö eine Friedenspredigt. Nur die Ächtung von Krieg und Gewalt bringe den Frieden. Fasziniert von dem gewaltfreien Widerstand Gandhis bemüht sich Dietrich um eine Einladung nach Indien. Dort möchte er dessen Methode des zivilen Ungehorsams studieren. Ist sie geeignet, den Naziterror aufzuhalten? Die rasch voranschreitende Zeit verhindert die geplante Indienreise. Gefestigt in dem Willen, dem nationalsozialistischen Unrechtsstaat mit aller Konsequenz entgegen zu treten, kehrt er 1935 nach Berlin zurück. Er leitet nun das Predigerseminar der Bekennenden Kirche. Diese polarisiert sich immer stärker. Bonhoeffer mahnt, deutlich Stellung zu beziehen. Nicht nur innerhalb der Kirche, sondern auch im Staat müsse gegen Unrecht gekämpft werden.
1940 beginnt Bonhoeffer seine Tätigkeit für das Auslandsamt der Wehrmacht. Dahinter verbirgt sich kein Sinneswandel, sondern die konspirative Tätigkeit für die Widerstandsgruppe der Abwehr um Admiral Canaris und Hans von Dohnanyi. Bei mehreren Auslandsreisen fungiert er als Kurier. Eine Gruppe von Juden wird ins Ausland in Sicherheit gebracht. Im Auftrag der Widerstandsgruppe knüpft er Kontakte zu den Alliierten. Alles dient der Vorbereitung eines Umsturzes, der durch die Ermordung Adolf Hitlers eingeleitet werden sollte. Mehrere Attentatsversuche misslingen. Die Verschwörer werden enttarnt. Nach fast zweijähriger Haft im Gefängnis Tegel und im Berliner Gestapokeller in der Prinz-Albrecht-Straße bezahlt Dietrich Bonhoeffer für seine Zivilcourage mit dem Leben. Ein SS-Standgericht verurteilt ihn am 8. April 1945 wegen Hoch- und Landesverrates zum Tode durch den Strang. In den Morgenstunden des darauffolgenden Tages wird er im KZ Flossenbürg nur wenige Wochen vor der Kapitulation Deutschlands ermordet.
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