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Menschenrechte

Material zu Grundkurs 5 (Menschenrechtsverletzungen)

Krieg ist immer eine Menschenrechtsverletzung. Besonders betroffen sind Kinder. "Jeder Krieg ist ein Krieg gegen Kinder" - so lautet der Titel einer Ausstellung der Hilfsorganisation Kindernothilfe. Aus Materialien dieser Organisation ist der folgende Bericht eines Mädchens aus Ruanda entnommen. Mehr Informationen zum Thema Kinder im Krieg finden Sie im Rahmen des Vertiefungsthemas Kinderrechte auf diesem Bildungsserver.

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Marie-Grace — Übriggeblieben

Ich heiße Marie-Grace und bin am 10.8.1984 in Cyangugu/Rwanda geboren. Ich war die Jüngste in der Familie. Wir waren zehn Kinder, von denen acht noch lebten, als der Krieg in Rwanda ausbrach und dieses furchtbare Massaker geschah. Ich war als einzige auf der Grundschule und lebte deshalb bei meinen Eltern.

Um die Osterferien zu Hause zu verbringen, waren drei Brüder und eine Schwester gerade bei uns. Am 7. April hat Radio Rwanda den Flugzeugabsturz des Präsidenten gemeldet. Sofort haben Terror und Massaker begonnen.

Am 11. April haben wir Schüsse bei einem benachbarten Händler gehört, der ein oppositioneller Hutu war. Sofort haben unsere Eltern gesagt, dass wir fliehen müssen. Wir hatten schon von Massakern an Tutsi-Familien in Kigali gehört, also suchten wir Verstecke bei Hutu-Familien. Aber diese wollten uns nicht, sie hatten Angst. So kam es, dass sich vier Tutsi-Familien in einem kleinen Haus, unweit des unsrigen, versteckten. Unglücklicherweise wurde die Gegend von Hutu-Milizen beobachtet, was wir aber nicht wussten. Als die Soldaten kamen, war es für sie nicht schwierig, uns zu finden.

Am 11. April um 14 Uhr kamen die Soldaten mit den Milizen, die befahlen, dass wir uns draußen vor die Tür legen sollten. Dann haben sie geschossen. Ich lag neben meiner Mutter, und durch Zufall hat mich keine Kugel getroffen. Aber meine Mutter starb sofort, und auch meine Schwester wurde getroffen. Ich bat sie, ruhig zu sein, damit die Soldaten nicht auf uns aufmerksam wurden. Dann ist sie gestorben. Ein Bruder von mir sprang auf und wollte davonlaufen. Er wurde ein paar Meter entfernt getötet. Die wenigen Überlebenden unserer Gruppe wurden von freundlichen Menschen weggebracht. Die Milizen wollten alle Überlebenden mit der Machete töten, und sie plünderten alle Häuser der Tutsi. Es gab nichts zu essen, und wir lebten praktisch nur von Wasser. In seltenen Fällen wurde uns etwas zu essen vorbeigebracht, aber es reichte nie für alle. Nach ein paar Tagen haben Milizen die Erwachsenen unserer Gruppe erwischt und grausam umgebracht. Am 15. April habe ich erfahren, wie mein Vater und einer meiner Brüder in einer Kapelle gefoltert und getötet worden sind. Ich war so traurig, dass ich nicht mehr leben wollte. Ich wollte auch sterben, weil es niemanden mehr von meiner Familie gab. Die Onkel und Tanten, alle Freunde waren getötet.

Einige Hutu halfen uns Kindern, vor den Milizen zu fliehen. Ein Nachbar meiner Eltern hat mich bei sich versteckt. Dann schickte man mich zu einer anderen Familie. Es ging um Leben und Tod, wenn man als Tutsi eine Reise machte. Unterwegs wollten mich Soldaten an einer Barriere nicht weiterlassen. Einer von ihnen hätte mich beinahe erschossen; zum Glück hat es ihm ein anderer, ein freundlicherer Mensch, verboten.

Einen Monat später erreichte die FPR Kigali. Radio Rwanda verkündete, dass wir das Land verlassen müssen. Und so hat mich meine neue Gastfamilie nach Bukavu mitgenommen. Dort erfuhr ich, dass meine Schwester und ihr Mann, die in Deutschland leben, mich suchen.

[aus: Marie-Grace 1994, Übriggeblieben, in: Hildegard Schürings (Hrsg.), Ein Volk verlässt sein Land — Krieg und Völkermord in Ruanda, Köln, S.56 ff]

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