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Kernelemente des demokratischen Staates (III): Regierung
Regierung und Verwaltung, nach traditionellem Verständnis die Exekutive, zählen selbstverständlich zu den zentralen Elementen in jedem Staat. Wie Regierung und Verwaltung im demokratischen Staat aussehen, darum geht es im folgenden Text.
(...) Überall, wo menschliche Gemeinschaften existieren, besteht in der Tat das Bedürfnis nach Steuerung. Nach aller historischen Erfahrung kann diese Aufgabe nur von einem einzelnen oder einer kleinen Zahl von Menschen geleistet werden. Nur dann ist nämlich eine Gemeinschaft entscheidungs- und handlungsfähig. Ein größerer Ausschuss, wie etwa ein Parlament, oder aber die Gesamtheit der Bürger können eine solche Führung durch wenige einzelne einsetzen und kontrollieren, sie können über Verhaltensregeln und Richtlinien der Führung bestimmen, aber die Regierung selbst vermögen sie in der Regel nicht zu ersetzen. Diese ist ihrerseits nur handlungsfähig, wenn ihre Anweisungen auch ausgeführt werden. Deshalb hat sich mit dem Wachsen der staatlichen Aufgaben und der komplizierteren Formen menschlichen Zusammenlebens unterhalb der Regierung ein ihr zugeordneter, aber weisungsabhängiger Apparat, die staatliche Verwaltung, ausgebildet, die allmählich so viel Eigengewicht gewann, dass man innerhalb der Exekutive die Ebene der Regierung von der der Verwaltung auch institutionell unterschied. In der modernen Demokratie stellt das Zusammenspiel von Regierung und Verwaltung einen Hauptteil des politischen Alltags dar. In beiden begegnen die einzelnen Bürgerinnen und Bürger der staatlichen Herrschaft. Die Geschichte zeigt uns recht verschiedene Formen der Regierung. Erst im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte hat sich die Vorstellung allmählich durchgesetzt, dass Regierungen nur auf Zeit eingesetzt und der Kontrolle unterworfen sein sollten. Im Zeitalter des Absolutismus herrschten Könige und Fürsten noch souverän und ohne Rechenschaftspflicht gegenüber ihren Untertanen. Man spricht deshalb von autokratischer Regierung, im Gegensatz zur republikanischen oder konstitutionellen, wie sie in der modernen Demokratie vorherrscht. Mit der Entstehung und Kräftigung der Parlamente trat an die Stelle der Könige oder Fürsten von Gottes Gnaden die parlamentarisch verantwortliche Regierung. In der Gegenwart ist sie nichts anderes als die Herrschaft der Führungsgruppe der jeweiligen parlamentarischen Mehrheit, die gleichsam aus dem Parlament heraustritt und die Stühle der Regierung besetzt. Aber auch wenn, wie im amerikanischen Fall, die Regierung in Gestalt eines Präsidenten direkt vom Volke gewählt wird, bleibt ihre Kontrolle durch das Parlament doch erhalten, so dass das amerikanische Präsidialsystem eine bloße Variation der in ihren Vollmachten begrenzten und zeitlich beschränkten Regierung darstellt. Auch wer mit guten Gründen behauptet, dass der Typ der parlamentarischen oder präsidialen Regierung angesichts des Siegeszuges der Demokratie die attraktivste Form politischer Führung geworden ist, muss einräumen, dass unser Jahrhundert auch immer wieder den Rückfall in autokratische Formen der Herrschaft erlebte und erlebt. Das galt nicht nur für die immer wiederkehrenden Militärdiktaturen von der Art des polnischen Marschalls Pilsudski in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, sondern vor allem für die neuartigen totalitären Regime, wie sie sich im nationalsozialistischen Deutschland und im stalinistischen Russland ausbildeten.
Bis zum heutigen Tage leben (...) Teile der Welt unter der Herrschaft autokratischer Regime. (...) Es besteht aber kein Zweifel darüber, dass das Leitbild einer politischen Ordnung, in der die Regierung einer sachlichen und zeitlichen Beschränkung unterworfen ist, immer wieder als Maßstab beschworen und von oppositionellen Kräften als demokratische Forderung aufgenommen wird. Der Wille des Menschen, sein Schicksal selbst mitzubestimmen und Gleichberechtigung sowie soziale Gerechtigkeit einzuklagen, wendet sich gegen die Willkür und den Absolutismus demokratisch nicht legitimer Herrschaft. Deswegen gibt es für Diktatoren nirgendwo mehr in der Welt eine gesicherte Zukunft, wie fest auch immer ihr Herrschaftssystem gegründet erscheinen mag. (...) Aus dem spannungsvollen Mit- und Nebeneinander von demokratisch konstituierter politischer Führung und dem Sachverstand der Verwaltung ergibt sich die Praxis staatlichen Handelns und staatlicher Herrschaft. Sie hat dem Willen der Bürgerinnen und Bürger ebenso Rechnung zu tragen wie den Bedingungen des gemeinschaftlichen Lebens. Dabei kommt es zu einem permanenten Konflikt von demokratischem Impuls und dem Erfordernis staatlicher Leistung, der nach beiden Seiten offen ausgehalten werden muss, weil beides, demokratische Bindung und Handlungsfähigkeit des Staates, zu den Voraussetzungen eines demokratischen Gemeinwesens gehören (...). [entnommen aus: Waldemar Besson/Gotthard Jasper, Das Leitbild der modernen Demokratie. Bauelemente einer freiheitlichen Staatsordnung, Bonn 1990]
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