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Vorbilder

Desmond Tutu

Rede bei der Verleihung des Friedensnobelpreises

[Dezember 1984, Oslo, Norwegen]

[Die Rede im englischen Original finden Sie auf der Seite Nobel Prize]

Ihre Majestät, Mitglieder der königlichen Familie, Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren:

Bevor ich Südafrika, ein Land das ich leidenschaftlich liebe, verlassen habe, hatten wir als das Führungskomitee des Südafrikanischen Kirchenrates ein dringendes Treffen mit den Führern aller Mitgliedskirchen. Wir haben das Treffen einberufen wegen der sich verschlimmernden Krise in unserem Land, die allein dieses Jahr schon fast 200 Menschenleben gefordert hat. Wir haben einige der Unruheherde am Witwatersrand besucht. Mit anderen bin ich zum Ostrand gefahren. Wir haben das Heim einer alten Dame besucht. Sie erzählte uns, dass sie nach ihrem Enkel und Kindern der Nachbarn schaue, während die Eltern arbeiten. Eines Tages jagte die Polizei einige Schüler, die den Schulunterricht boykottierten, aber sie verschwanden zwischen den Häusern des schwarzen Stadtteils. Die Polizei fuhr die Straße hinunter, in der die alte Dame wohnte. Sie saß in der Küche des Hauses, während die Kinder vor dem Haus spielten. Ihre Tochter rannte in das Haus und rief, sie solle schnell kommen. Die alte Dame eilte aus der Küche in das Wohnzimmer. Ihr Enkel war gerade zur Tür hineingefallen, tot. Er war von der Polizei in den Rücken geschossen worden. Er war sechs Jahre alt. Einige Wochen später fuhr eine weiße Mutter, die ihre schwarze Angestellte als Arbeitskraft registrieren wollte, durch einen schwarzen Stadtteil. Schwarze Unruhestifter bewarfen ihr Auto mit Steinen und brachten ihr Baby um, das nur einige Monate alt war – das erste weiße Opfer der jüngsten Unruhen in Südafrika. Solche Tode sind zwei Tode zuviel. Sie sind Teil der hohen Kosten der Apartheid.

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Jeden Tag werden in dem illegalen Camp KTC bei Kapstadt die unstabilen Plastikunterkünfte, die schwarze Mütter errichtet haben, weil sie ihren Eheschwur ernst nehmen, von der Polizei zerstört. Sie werden degradiert auf das Sitzen auf durchnässten Matratzen, ihre Haushaltswaren um ihre Füße verstreut, wimmernde Babys auf ihrem Schoß, im kalten Winterregen des Kaps. Jeden Tag hat die Polizei diese gefühllosen Zerstörungen durchgeführt. Welches abscheuliche Verbrechen haben diese Frauen begangen, dass sie wie Kriminelle auf diese Art und Weise gehetzt werden? Sie wollten doch nur mit ihren Ehemännern zusammen sein, den Vätern ihrer Kinder. In jedem anderen Land der Welt würden sie gelobt, aber in Südafrika, einem Land, das für sich in Anspruch nimmt, dass es christlich sei und das einen Feiertag sogar Familientag nennt, werden diese tapferen Frauen so unmenschlich behandelt. Und dabei ist doch alles, was sie verlangen, ein anständiges und stabiles Familienleben. Unglücklicherweise ist es in ihrem Geburtsland eine kriminelle Straftat, mit ihren Ehemännern und Vätern ihrer Kinder glücklich zusammenzuleben. Schwarzes Familienleben wird somit untergraben – nicht zufällig untergraben, sondern durch absichtliche Regierungspolitik. Es ist Teil des Preises, den menschliche Wesen, Gottes Kinder, für die Apartheid zahlen sollen. Ein unannehmbarer Preis.

Ich komme aus einem wunderschönen Land, das von Gott mit wundervollen natürlichen Ressourcen ausgestattet wurde, unendliche Weiten, Berge, singende Vögel, hell leuchtende Sterne, blauer Himmel, mit Sonnenschein, goldenem Sonnenschein. Es gibt genug an diesen guten Dingen, die von Gottes Großzügigkeit herrühren, genug für alle, aber die Apartheid hat einige in ihrer Selbstsucht bestätigt und zugelassen, dass diese einen überproportional großen Teil an sich reißen aufgrund ihrer Macht. Sie haben 87 Prozent des Landes an sich gerissen, obwohl sie nur etwa 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Der Rest musste sich mit den verbleibenden 13 Prozent begnügen. Apartheid hat eine Politik der Ausgrenzung verfügt: 73 Prozent der Bevölkerung sind von jeglicher bedeutender Partizipation am politischen Entscheidungsprozess ihrer Geburtslandes ausgeschlossen. Die neue Verfassung, die drei Kammern vorsieht, für Weiße, Farbige und Inder, erwähnt Schwarze nur einmal und ignoriert sie dann völlig. Somit verschanzt sich diese neue Verfassung, die im Westen als ein Schritt in die richtige Richtung gelobt wird, hinter Rassismus und Ethnizität. Das Verfassungskomitee setzt sich zusammen im Verhältnis vier Weiße zu zwei Farbigen zu einem Inder – null Schwarzen. Diese Verfassung ist durch Gesetz bestätigt worden und bezweckt ein Regieren der weißen Minderheit.

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Von Schwarzen wird erwartet, dass sie ihren politischen Ehrgeiz in lebensunfähigen, verarmten, dürren Bantustan-Homelands ausüben, Ghettos der Misere, unerschöpflichen Reservoirs billiger schwarzer Arbeitskraft, Bantustans, in denen Südafrika sozusagen balkanisiert wird. Schwarze werden systematisch ihrer südafrikanischen Staatsbürgerschaft beraubt und zu Fremden in ihrem eigenen Geburtsland gemacht. [Connie Mulder, Minister für Bantu Administration und Entwicklung, sagte 1978: 'Die logische Konsequenz unserer Politik ist, dass... kein einziger schwarzer Mann die südafrikanische Staatsbürgerschaft haben wird... Jeder schwarze Mann in Südafrika wird letzten Endes in einem unabhängigen neuen Staat auf diese ehrenhafte Weise untergebracht werden, und die Regierung wird keine moralische Verpflichtung mehr haben, diese Menschen politisch unterzubringen.' (South African Hansard, Verfahren des südafrikanischen Parlaments, Kapstadt, 7. Februar 1978, zitiert von John Dugard und abgedruckt im The Apartheid Handbook, von Roger Omond, Penguin 1985.)] Dies ist Apartheids Endlösung, so wie der Nationalsozialismus seine Endlösung für die Juden in Hitlers arischem Wahnsinn sah. Die südafrikanische Regierung ist klug. Fremde können nur wenige Rechte in Anspruch nehmen, vor allen Dingen keine politischen Rechte.

Bei der Verfolgung des ideologischen, rassistischen Traumes der Apartheid wurden über drei Millionen von Gottes Kindern entwurzelt, ihre Heime zerstört, während sie in die Wiederbesiedlungscamps der Homelands ‚weggeworfen’ wurden. Ich sage bewusst weggeworfen: nur Abfall oder Dinge werden weggeworfen, nicht menschliche Wesen. Die Apartheid jedoch hat sichergestellt, dass Gottes Kinder, nur weil sie schwarz waren, wie Dinge behandelt werden sollten und nicht als wären sie von unendlichem Wert, weil sie als Abbild Gottes geschaffen wurden. Diese "Abfallgebiete" sind weit entfernt von Arbeit und Nahrung. Kinder sterben vor Hunger, leiden an den oft unheilbaren Konsequenzen von Unterernährung. Dies widerfährt ihnen nicht zufällig, sondern durch absichtliche Regierungspolitik. Sie verhungern in einem Land, das der Brotkorb Afrikas sein könnte, ein Land, das normalerweise ein Nettoexporteur von Nahrung ist.

Der Vater lässt seine Familie im Homeland zurück, wo sie sich mühsam durchschlagen müssen, während er, wenn er Glück hat, als Wanderarbeiter in eine weiße Stadt geht, um 11 Monate lang ein unnatürliches Leben in einem Männerwohnheim zu führen, wo er den Lastern der Trunkenheit, der Prostitution und Schlimmerem verfällt. Diese nomadische Arbeitspolitik wurde zur Regierungspolitik erklärt, und wurde sogar von der Dutch Reformed Church, die eigentlich nicht sehr kritisch mit der Regierung verfährt, als Krebsgeschwür unserer Gesellschaft verurteilt. Dieses Krebsgeschwür, das die Lebenskraft des schwarzen Familienlebens anfrisst, ist absichtliche Regierungspolitik. Es ist Teil der Kosten der Apartheid, maßlos was das menschliche Leiden betrifft.

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Apartheid hat diskriminierende Ausbildung wie die Bantu Erziehung produziert, Erziehung zu Leibeigenschaft, die sicherstellt, dass die Regierung jährlich nur ein Zehntel dessen für ein schwarzes Kind ausgibt, was sie für ein weißes Kind ausgibt. Es ist eine Erziehung, die entschieden getrennt und ungleich ist. Sie geht zügellos verschwenderisch mit Humanressourcen um, weil so viele Kinder Gottes durch Regierungspolitik davon abgehalten werden, ihr volles Potential auszuschöpfen... Südafrika zahlt schon jetzt einen hohen Preis für diese ungeheuerliche Politik, weil es einen hoffnungslosen Mangel an qualifizierter Arbeitskraft hat, ein direktes Ergebnis des kurzsichtigen Programms des rassistischen Regimes. Es ist ein moralisches Universum, in dem wir leben, und Güte, Richtigkeit und Gerechtigkeit sind von Bedeutung in dem Universum des Gottes, den wir verehren. Und so haben sich die südafrikanische Regierung und ihre Anhänger in dieser Angelegenheit in ihrer eigenen Schlinge gefangen.

Apartheid wird durch eine Phalanx ungeheuerlicher Gesetze aufrechterhalten, wie dem Population Registration Act, der bestimmt, dass alle Südafrikaner ethnisch klassifiziert und entsprechend dieser Rassekategorien registriert werden müssen. Oftmals wurde in der gleichen Familie das eine Kind als weiß klassifiziert, das andere, mit einem nur wenig dunkleren Hautton, als farbig, mit all den schrecklichen Konsequenzen für das farbige Kind, das dadurch von der Mitgliedschaft in einer privilegierten Kaste ausgeschlossen war. Resultat waren viele Kinderselbstmorde. Auch dies ist ein viel zu hoher Preis, der für rassische Reinheit gezahlt wird, da es zweifelhaft ist, ob irgendein Ergebnis, wie wünschenswert auch immer, solche Mittel rechtfertigen kann. Es gibt Gesetze wie den Prohibition of Mixed Marriages Act, der Heiraten zwischen einer weißen Person und der einer anderen Rasse als illegal ansehen. Rasse wird zu einem Hindernis für gültige Heiraten. Zwei Personen, die sich lieben, werden aufgrund ihrer Rasse davon abgehalten, ihre Liebe im Bund der Ehe zu vollenden. Etwas Schönes wird so zu etwas Elendem und Hässlichem gemacht. Der Immorality Act bestimmt, dass das Treiben von Unzucht und der Ehebruch illegal sind, wenn sie zwischen einer weißen Person und der Person einer anderen Rasse passieren. Die Polizei wird reduziert auf die Stufe eines Voyeurs, die Paare auf frischer Tat ertappen muss. Viele Weiße haben lieber Selbstmord begangen, als konfrontiert zu werden mit den katastrophalen Konsequenzen, die im Anschluss an ein solches Verfahren folgen. Die Kosten sind viel zu hoch und untolerierbar.

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Ein solches böses System, das durch normale, annehmbare Methoden niemals zu verteidigen wäre, beruht auf einer Phalanx von drakonischen Gesetzen wie der Sicherheitsgesetzgebung, wie sie fast nur in Südafrika vorzufinden ist. Einerseits gibt es Gesetze, die dem Minister für Recht und Ordnung erlauben, Personen unendlich lange zu inhaftieren, wenn er denkt, dass sie eine Gefahr darstellen für die Sicherheit des Staates. Sie werden nach seinem Belieben festgehalten, in Einzelhaft, ohne Familienbesuch, ohne einen eigenen Arzt oder Anwalt. Dies ist eine gravierende Bestrafung, wenn der Beweis, den der Minister ja offensichtlich hat, nicht in einem offenen Prozess überprüft wird. Vielleicht würde er der rigorosen Prüfung standhalten, vielleicht auch nicht. Wir sollen es niemals erfahren. Es ist ein viel zu bequemes Mittel für ein unterdrückerisches Regime. Der Minister müsste sehr außergewöhnlich sein, wenn er nicht der Versuchung unterliegen würde, einen unangenehmen Prozess, in dem seine Beweise genau geprüft werden würden, nicht zu umgehen; und so lässt er seiner Macht gemäß Gesetz freien Lauf und missbraucht sie als Richter und Kläger. Viele, viel zu viele, sind in Haft auf mysteriöse Art ums Leben gekommen. All dies ist zu teuer, was menschliche Leben betrifft. Der Minister ist in der Lage, Menschen unter Arrest zu stellen, ohne dass er dem Ärger der checks and balances eines entsprechenden Prozesses unterworfen ist. Solche Personen werden dann drei oder fünf Jahre lang zu "Nichtmenschen" und dürfen während der Zeit ihrer Sperre nicht zitiert werden. Sie dürfen an keinen Versammlungen teilnehmen, was bedeutet, dass sie nicht mit mehr als zwei Personen reden dürfen. Zwei Personen, die mit einer verbannten Person sprechen, sind schon eine Versammlung! Sie dürfen nicht einmal die Hochzeit oder das Begräbnis ihres eigenen Kindes ohne spezielle Erlaubnis besuchen. Sie müssen von sechs Uhr nachmittags bis sechs Uhr früh des nächsten Tages zu Hause sein, an allen Feiertagen den ganzen Tag und am Wochenende von freitags sechs Uhr nachmittags bis montags sechs Uhr morgens. Sie können nicht Urlaub machen außerhalb des Gebietes, das der Richter begrenzt hat. Sie können nicht ins Kino oder zu einem Picknick gehen. Dies ist eine harte Strafe, die der verbannten Person auferlegt wurde, ohne dass der Beweis, der dies angeblich rechtfertigt, der Person mitgeteilt wird oder vor Gericht geprüft wird. Es stellt eine ernsthafte Erosion und Verletzung der grundlegenden Menschenrechte dar, derer die Schwarzen ohnehin in ihrem Geburtsland nur wenige haben. Sie genießen nicht die Rechte, sich frei bewegen und vereinigen zu dürfen. Sie haben kein Recht, an den Entscheidungen teilzuhaben, die ihr Leben beeinflussen. Kurzum, diesem Land, das auf vielerlei Art und Weise reich ausgestattet ist, mangelt es an Gerechtigkeit.

Einst sprachen ein Sambier und ein Südafrikaner. Der Sambier prahlte mit deren Minister für Meeresangelegenheiten. Der Südafrikaner fragte, ‘Aber ihr habt doch keine Flotte, kein Meer. Wie könnt Ihr dann einen Minister für Meeresangelegenheiten haben?’ Der Sambier erwiderte scharf: ‚Nun, Ihr habt ja in Südafrika auch einen Rechtsminister, oder?'

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Unsere Menschen haben seit mindestens 1921, als der African National Congress gegründet wurde, gegen dieses System friedlich angekämpft. Sie haben die konventionellen Methoden des friedlichen Protestes genutzt – Petitionen, Demonstrationen, Deputationen, und sogar eine passive Widerstandskampagne. Ein Zeichen der Hochachtung an die Entschlossenheit unseres Volkes, einen friedlichen Wandel herbeizuführen, ist die Tatsache, dass beide Südafrikaner, die jemals einen Friedensnobelpreis gewonnen haben, schwarz sind. [Der andere südafrikanische Friedensnobelpreisträger war 1960 Häuptling Albert Luthuli, Präsident des African National Congress.] Unser Volk ist im Übermaß friedliebend. Die Antwort der Behörden war eine steigende Unnachgiebigkeit und Gewalt, Gewalt in Form von Polizeihunden, Tränengas, Haft ohne Gerichtsverfahren, Exil und sogar Tod. Unser Volk hat 1960 friedlich gegen die Passgesetze protestiert und 69 wurden am 21. März 1960 in Sharpeville getötet, viele in den Rücken geschossen, als sie versuchten wegzurennen. Unsere Kinder haben gegen eine minderwertige Ausbildung protestiert, wobei sie friedlich gesungen und Plakate getragen haben. Viele wurden im Jahre 1976, am 16. Juni und später, ermordet oder eingesperrt. Mehr als 500 Menschen starben bei diesem Aufstand. Viele Kinder sind in das Exil geflüchtet. Der Aufenthaltsort vieler von ihnen ist ihren Eltern nicht bekannt. Zur Zeit boykottiert und demonstriert unser Volk gegen genau diese diskriminierende Ausbildung und den Ausschluss der Schwarzen aus der neuen konstitutionellen Befreiung, gegen lokale schwarze Scheinregierungen, steigende Arbeitslosigkeit, steigende Mietpreise und eine allgemeine Steuer auf gehandelte Güter. Sie haben einen erfolgreichen zwei Tage andauernden Arbeitsstreik arrangiert. Über 150 Menschen wurden getötet. Dies ist ein viel zu hoher Preis, der gezahlt werden musste. Es gab nur wenig Empörung oder Entrüstung im Westen über diese zügellose Zerstörung menschlichen Lebens.

Eine kleine Zwischenbemerkung: Könnte mir jemand bitte etwas erklären, das mich verblüfft hat? Wenn ein Priester vermisst wird und daraufhin tot aufgefunden wird, wird im Westen in den Medien darüber ausführlich Bericht erstattet. [Eine Anspielung auf die Entführung und Ermordung von Pater Jerzy Popieluszko durch den polnischen Geheimdienst im Oktober 1984]. Ich bin froh, dass der Tod einer einzelnen Person so viel Sorge hervorrufen kann. Aber in genau derselben Woche, als der Priester tot aufgefunden wurde, hat die südafrikanische Polizei 24 Schwarze ermordet, die an einem Protest teilgenommen hatten, 6000 inhaftiert, die ebenfalls beteiligt waren – und das ist auch schon die Berichterstattung, die sie im günstigen Falle bekommen. Versucht man uns mitzuteilen, was ich nicht glauben will, dass Schwarze entbehrlich sind und Blut dickflüssiger ist als Wasser, dass, wenn es darauf ankommt, man Weißen nicht trauen kann, weil sie sich gegen uns verschwören werden? Ich möchte nicht glauben, dass dies die Botschaft ist, die uns mitgeteilt werden soll.

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Wie dem auch sei. Wir haben vor uns ein Land, dem es an Gerechtigkeit, und damit auch an Frieden und Sicherheit, mangelt. Unruhe kehrt immer wieder und wird ein unveränderliches Merkmal Südafrikas bleiben, bis die Apartheid, die Ursache all dessen, schließlich abgeschafft wird. Derzeit wird die Bevölkerung nicht von der Armee geschont. Ein Bürgerkrieg wird geführt. Südafrikaner stehen auf beiden Seiten. Als der ANC und der PAC im Jahre 1960 verboten wurden, erklärten sie, sie hätten keine Wahl, als den Kampf bewaffnet auszutragen. Wir im Südafrikanischen Kirchenrat haben gesagt, dass wir uns allen Formen von Gewalt widersetzen – der Gewalt eines unterdrückerischen und ungerechten Systems wie auch der Gewalt derjenigen, die dieses System stürzen wollen. Wir haben dem jedoch hinzugefügt, dass wir diejenigen verstehen, die dies als ihren letzten Ausweg sehen. Gewalt wurde in die südafrikanische Situation nicht von außerhalb neu zugeführt – durch sogenannte Terroristen oder Freiheitskämpfer, je nachdem, ob man zu den Unterdrückten oder den Unterdrückern zählt. Die südafrikanische Situation ist bereits gewaltsam und die primäre Gewalt geht von der Apartheid aus, die Gewalt von Zwangsumzügen, einer unterlegenen Ausbildung, von Haft ohne Gerichtsverfahren, des Systems der Wanderarbeit und so weiter.

Es herrscht Krieg an den Grenzen unseres Landes. Südafrikaner stehen Südafrikanern gegenüber. Südafrikanische Soldaten kämpfen gegen Namibier, die sich der illegalen Besetzung ihres Landes durch Südafrika, das sein unterdrückerisches System der Apartheid, ungerecht und ausbeuterisch, ausdehnen wollte, widersetzen.

Es herrscht kein Friede in Südafrika. Es herrscht kein Friede in Südafrika, weil es keine Gerechtigkeit gibt. Es kann keinen wirklichen Frieden und Sicherheit geben, solange nicht zuerst allen Einwohnern dieses schönen Landes Gerechtigkeit widerfährt. Die Bibel kennt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit, denn dies würde bedeuten "Frieden, Frieden, wo es keinen Frieden gibt". Gottes Shalom-Frieden beinhaltet zwangsläufig Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit, Ganzheit, Vollständigkeit des Lebens, Teilhabe am Entscheidungsprozeß, Güte, Lachen, Freude, Mitgefühl, Teilen und Versöhnung.

Ich habe ausführlich über Südafrika gesprochen, weil es zunächst das Land ist, das ich am besten kenne, aber auch, weil es ein Mikrokosmos der Welt und ein Beispiel für etwas ist, das in anderen Ländern in verschiedenen Abstufungen vorgefunden werden kann – wo Ungerechtigkeit herrscht, gibt es keinen Frieden. In El Salvador, in Nicaragua und anderswo in Lateinamerika herrschten unterdrückerische Regimes, die Opposition in diesen Ländern geweckt haben. Landsleute werden gegeneinander ausgespielt, manchmal wird die nicht sehr hilfreiche Aufmerksamkeit und das Interesse anderer Mächte angezogen, die die Sphären ihres Einflusses erweitern wollen. Wir haben dies im Mittleren Osten gesehen, ebenso in Korea, den Philippinen, in Kambodscha, im Vietnam, in Nordirland, in Afghanistan, in Mosambik, in Angola, in Simbabwe, hinter dem Eisernen Vorhang.

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Wegen der globalen Unsicherheit sind die Nationen in einen verrückten Rüstungswettlauf verwickelt und geben verschwenderisch Milliarden von Dollar für Instrumente der Zerstörung aus, während Millionen verhungern. Und dabei würde doch ein Bruchteil dessen, was so obszön für Verteidigungsbudgets ausgegeben wird, einen Unterschied machen, und Gottes Kinder in die Lage versetzen, ihre Bäuche zu füllen, sich auszubilden und ihnen die Chance geben, ein erfülltes und glückliches Leben zu führen. Täglich werden wir von dem Spektakel hohlwangigen Abschaums der Menschheit verfolgt, der in unendlichen Reihen entlangschlurft, um mit Schüsseln in der Hand das zu sammeln, was die Nächstenliebe der Welt liefert. Zu wenig und zu spät. Wann werden wir lernen, wann werden die Menschen dieser Welt aufstehen und sagen : Es ist genug? Gott schuf uns als Gemeinschaft. Gott schuf uns, damit wir eine Menschenfamilie schaffen, die zusammen existiert, weil wir füreinander geschaffen sind. Wir sind nicht geschaffen für eine ausschließliche Selbständigkeit, sondern für Abhängigkeit, und wir verletzen dieses Gesetz auf unsere eigene Gefahr hin. Wann werden wir lernen, dass ein eskalierender Rüstungswettlauf lediglich die globale Unsicherheit steigert? Wir sind heute einem nuklearen Holocaust näher als zu Zeiten mit weniger Technologie und Ausgaben.

Solange wir nicht eifrig daran arbeiten, dass alle Kinder Gottes, unsere Brüder und Schwestern, Mitglieder einer Menschenfamilie, grundlegende Menschenrechte genießen, das Recht auf ein erfülltes Leben, das Recht, sich frei bewegen zu dürfen, die Freiheit, Mensch zu sein in einer Menschheit, die nur an der Menschlichkeit Jesu Christi selbst gemessen wird, solange sind wir auf einem Weg, der unerbittlich zu unserer Selbstzerstörung führt, und so lange sind wir nicht weit entfernt von einem globalen Selbstmord. Und es könnte doch alles so anders sein.

Wann werden wir lernen, dass menschliche Wesen von unendlichem Wert sind, weil sie nach dem Abbild Gottes geschaffen wurden, dass es Blasphemie ist, sie so zu behandeln, als wären sie von geringerem Wert und dass es letztlich auf diejenigen zurückfallen wird, die so verfahren? Dadurch dass sie nämlich andere entmenschlichen, entmenschlichen sie sich selbst. Vielleicht entmenschlicht Unterdrückung den Unterdrücker genauso sehr, wenn nicht mehr, als den Unterdrückten. Wir brauchen einander, um wirklich frei zu sein, um menschlich zu werden. Denn wir können nur in Kameradschaft, in Gemeinschaft, in koinonia, in Frieden menschlich sein.

Gott ruft uns an, mit ihm zu arbeiten, so dass wir sein Königreich von Shalom, Gerechtigkeit, Güte, Mitgefühl, Teilen, Lachen, Freude und Versöhnung vergrößern, so dass die Königreiche dieser Welt zum Königreich unseres Gottes und seines Christus werden, und er auf alle Ewigkeit regiert. Denn dann wird die wundervolle Vision des Heiligen Johannes des Göttlichen erfüllt werden (Offenbarung des Johannes).

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