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Entstehung und Entwicklung der antiken Demokratie
In Athen steht die Wiege der Demokratie. Vor etwa 2500 Jahren wurde dort nach und nach eine Verfassungsordnung geschaffen, die zum Vorbild aller demokratischen Verfassungen wurde. Die folgenden zwei Texte zeichnet die wichtigsten Schritte dieser Entwicklung nach. Das Wort "Politik" kommt von polis (Stadt), womit in erster Linie die Gemeinschaft der Bürger gemeint ist und erst in zweiter Linie das Staatsgebiet, auf dem die Anlage der Stadt errichtet ist. Im archaischen Königtum bildet die Königsburg den Kern der Stadt, um den herum sich alles übrige gruppiert. In der Polis dagegen steht die agora, der Markt als Versammlungsplatz der Bürger, im Mittelpunkt. Die politische Entscheidung verlagert sich vom König auf die Versammlung; Beschlüsse werden öffentlich gefasst; sie müssen gegenüber den Bürgern gerechtfertigt werden und bedürfen deren Zustimmung. Damit setzt ein Prozess der Rationalisierung politischer Entscheidung ein: "Das System der Polis beruht vor allem auf einer ungewöhnlichen Vorherrschaft des gesprochenen Wortes über alle anderen Instrumente der Macht. Es wird zum politischen Mittel par excellence, zum Schlüssel zu jeglicher Autorität im Staat, zum Werkzeug, um Herrschaft und Befehlsgewalt über andere zu erlangen ... Das Wort, von dem hier die Rede ist, ist nicht mehr das Wort des Rituals, die richtige Formel, sondern das der kontroversen Debatte, der Diskussion, der Argumentation. Es verlangt ein Publikum, an das es sich als einen Richter wendet und das letzten Endes durch das Heben der Hände die Entscheidung zwischen den Parteien fällt, die vor ihm aufgetreten sind; dieses rein menschliche Urteil bemisst die jeweilige Überzeugungskraft der beiden Reden und teilt dem einen der Redner den Sieg über seine Gegner zu. Alle jene die Allgemeinheit betreffenden Fragen, deren Regelung ursprünglich die Aufgabe des souveränen Herrschers war und die in den Bereich der arche (der Herrschaft) fallen, sind nun der Gegenstand der Redekunst und müssen im Rahmen einer Debatte entschieden werden. Sie müssen sich daher in diskursiver Weise formulieren lassen und die Form antithetischer Beweisführungen, einander entgegengesetzter Argumentationen, annehmen. Zwischen Politik und logos (vernünftiger Rede) entsteht so ein enger wechselseitiger Bezug. Die Kunst des Politischen ist wesentlich die der Handhabung der Sprache, und der logos erlangt zuerst über seine politische Funktion ein Bewusstsein seiner selbst, seiner Regeln und seiner Wirksamkeit" (Jean-Pierre Vernant, Die Entstehung des griechischen Denkens, Frankfurt/Main 1982, 44f.). Vernant macht hier die Entstehung des Politischen in Athen an zwei Kriterien fest, die beide aufs engste zusammenhängen: an der Öffentlichkeit politischer Entscheidungen und an dem wachsenden Druck zur rationalen Begründung. Ein Drittes kommt hinzu: die Demokratisierung. "Dieser doppelte Prozess der Demokratisierung und des Öffentlichmachens wird auf dem Gebiet des Denkens einschneidende Konsequenzen haben" (Vernant 1982, 46). Die homerische Welt der Heroen und das perikleische Zeitalter attischer Demokratie sind in ihren Grundlagen geschieden. Wie konnte die eine aus der anderen entstehen? Die ursprüngliche soziale Schlichtung sah ungefähr so aus: An der Spitze der sozialen Hierarchie standen die eupatridai, die Wohl- und Edelgeborenen, die alteingesessenen, über großen Grundbesitz verfügenden Adelsgeschlechter, die ihre Vorrechte aus ihrer vornehmen Geburt herleiteten. Es folgten die georgoi, die Ackerbauern mit erheblich geringerem Besitz, und die demiurgoi, Gewerbetreibende und Handwerker. Dazu existierten noch die theten, Saisonarbeiter ohne eigenen Grund und Boden und Familie, und die Sklaven. In Griechenland konnten die Adligen sehr bald die Vorherrschaft des Königs (basileus) zurückdrängen; das Amt des Königs wurde nicht abgeschafft, sondern in seinen Funktionen entscheidend beschnitten, auf die Sphäre des Kultisch-Religiösen und einige richterliche Entscheidungen reduziert. Das Sagen hatten fortan die großen Adelsgeschlechter. Aus ihrer Mitte bestimmten sie die Archonten, die Regierenden, die nach Ablauf ihrer Amtszeit auf Lebenszeit Mitglied des Rats, des Areopags, wurden. Die Archonten und der Areopag leiteten die Geschicke der Stadt. Diese aristokratische Herrschaft geriet bald in eine tiefe Krise. Der Druck wachsender Überbevölkerung leitete im achten Jahrhundert eine Kolonisationsbewegung ein; Griechen besiedelten die Küstengebiete des Mittelmeers in Kleinasien, Nordafrika, Sizilien, Unteritalien, Südfrankreich bis hin nach Spanien und gründeten neue Gemeinwesen, die von der Mutterstadt entweder ganz unabhängig waren oder mit ihr nur in loser Verbindung standen. Die kleinen Bauern gerieten in immer größere Abhängigkeit von den großen Grundbesitzern; sie verschuldeten sich, ein Teil wurde in die Sklaverei verkauft. Die Handelsbeziehungen intensivierten sich. Es entstand eine neue Form des Reichtums: Vermögen, das durch Handel mit Metallen, Töpferwaren, Getreide, Öl und Wein erworben wurde. Der Warentausch breitete sich immer mehr aus; die ersten Münzen wurden geschlagen. Kurz: die sozialen Spannungen in Athen wuchsen ungeheuer. Damit war ein Prozess eingeleitet, dessen Resultat die Entmachtung des Erbadels war. Es entstand ein öffentliches Leben, an dem die Bürger teilnehmen konnten. Dies war die Stunde des ersten großen Gesetzgebers der Athener, die Stunde Solons (um 640-560 v.Chr.). Solon stammt aus einem sehr vornehmen Adelsgeschlecht, hatte aber sein Vermögen als Kaufmann erworben. 594/3 v.Chr. wurde er archon, höchster Regierender, in Athen und mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet, um als Schiedsrichter, als ein Mann der Mitte, der sich nicht auf die Seite einer Interessengruppe schlägt, das Gemeinwesen neu zu ordnen. Solon hob die Schuldknechtschaft auf, versagte indes einer Neuverteilung des Bodens die Zustimmung. Er führte neue Maße und Gewichte ein, eine unerlässliche Grundlage des Warenverkehrs, und gestaltete das Münzwesen neu, so dass das Recht, Münzen zu prägen, zum Monopol der öffentlichen Hand wurde. Die geltenden Gesetze ließ er auf öffentlich aufgestellten Säulen schriftlich festhalten. Die gesamte Bürgerschaft teilte er neu ein. Bestimmender Gesichtspunkt war nicht mehr die Herkunft, sondern die Größe des Vermögens, die Höhe des Ernteertrags oder des Geldeinkommens. Aus der Zugehörigkeit zu einer der vier Klassen — der pentakosiomedimnoi (derjenigen, die mindestens fünfhundert Maßeinheiten Weizen im Jahr besaßen), der hippei (Ritter, derjenigen, die sich ein Pferd leisten konnten), der Zeugiten (derjenigen, die eine Hoplitenausrüstung, die Ausstattung eines schwerbewaffneten Infanteriesoldaten, besaßen) und der Theten (der Besitzlosen) — leiteten sich die politischen Beteiligungsrechte und der Beitrag zum Kriegswesen her. In seiner Verfassungsreform schuf Solon zwei neue Organe: den Rat der Vierhundert (die bule) als Gegengewicht gegen den aristokratischen areopag und das Volksgericht, die heliaia, als Berufungsinstanz des Bürgers gegen Maßnahmen staatlicher Organe. Solon hat die althergebrachte Aristokratie des Erbadels ersetzt durch eine Timokratie, die Herrschaft der im Reichtum begründeten Ehre. Solon selbst nannte seine Verfassung eunomia ("Wohlordnung"), die Herrschaft des von Menschen hervorgebrachten guten Gesetzes. Solon hatte den Raum des Politischen, der Öffentlichkeit, die in der Teilnahme der Bürger besteht, geschaffen. Die sozialen Probleme aber vermochte er auf Dauer nicht zu lösen. Bereits gut dreißig Jahre nach seinem Reformwerk schwang sich Peisistratos, auch er ein Adliger aus vornehmem Geschlecht (ca. 600-528 v.Chr.), 560 zum Tyrannen über Athen auf, wobei er sich vor allem auf den ärmeren Teil der attischen Bevölkerung stützte. Die tyrannis ist die Staatsform, die in Griechenland den mit Abstand schlechtesten Ruf hatte. Sie galt als Gewaltherrschaft ohne jegliche Legitimation, weil sie das Gesetz, den nomos, die Verfassungsordnung missachtet und damit den Raum des Öffentlichen, die substantielle Grundlage der Politik in der Polis, zertrümmert. Doch hat im Prozess der Demokratisierung die Tyrannis eine wichtige Rolle gespielt: durch die Mobilisierung des demos, des Volks, wurde die Macht des Adels weiter beschränkt. Die politische Grundlage der attischen Polis hat Kleisthenes geschaffen. Seine Lebensdaten sind nicht näher bekannt. Seine Verfassungsreform scheint er bald nach 510 v.Chr. eingeleitet zu haben. Auch er stammt aus vornehmstem Geschlecht. Das Motiv seiner Reform ist wohl in der Auseinandersetzung mit einem anderen Adelsgeschlecht zu suchen. Er darf als der eigentliche Schöpfer einer Demokratie gelten, die auf gleichen Rechten für alle Staatsbürger beruht. Mit dieser Reform vollzog Kleisthenes die Entmachtung der aus Adels- und Standesinteressen hervorgegangenen Gruppierungen. Er gliederte das attische Territorium neu in drei Zonen (Stadt, Land und Küste) und die Bevölkerung in zehn Phylen, von denen jede fünfzig Abgeordnete in den "Rat der Fünfhundert" entsandte. Jede der Phylen führte für 36 Tage (d.i. ein Zehntel des Amtsjahres) die Geschäfte der Stadt und hatte den Vorsitz im Rat inne. Kleisthenes war es vermutlich auch, der mit dem Ostrakismus, dem Scherbengericht, eine Instanz einsetzte, die Bürger verbannen konnte, wenn sie durch allzu große Machtfülle der demokratischen Ordnung gefährlich zu werden drohten. Vierzig Jahre nach der Reform des Kleisthenes wurde durch Perikles die demokratische Ordnung Athens vollendet und zugleich der Adel endgültig entmachtet. Im Jahr 462 v.Chr. wurden auf Antrag des Perikles alle politischen Entscheidungen dem "Rat der Fünfhundert", dem Volksgericht und der Volksversammlung (ekklesia) übertragen. Ein Jahr später wurde die Zahlung von Tagegeldern für Mitglieder des Rates und des Gerichtes eingeführt, um den ärmeren Mitbürgern den Zugang zu politischen Ämtern zu ermöglichen, und schließlich wurden im Jahre 458 v.Chr. auch die Zeugiten, die dritte Klasse steuerpflichtiger Bürger, zu den höchsten Staatsämtern zugelassen. Damit war die Verfassung der Polis und zugleich das Vorbild aller demokratischen Verfassungen vollendet. An ihr orientieren sich die politische Philosophie der Griechen, insbesondere die Werke von Platon und Aristoteles, der Schöpfer des europäischen politischen Denkens überhaupt. Beide wirkten (...) im vierten vorchristlichen Jahrhundert, zu einer Zeit, in der die klassische Ordnung des Perikles bereits im Verfall begriffen war. In dieser Krise der Demokratie setzte die philosophische Reflexion ein. Was in der Blütezeit der Demokratie als Selbstverständlichkeit weiterer Begründung weder fähig noch bedürftig schien, wurde nun zum Gegenstand des nachforschenden Denkens. Die Krise des Gemeinwesens zeitigte den bis in die Gegenwart wirkenden Versuch, mit den Mitteln vernünftiger Rede und der Suche nach den besseren Argumenten diesem Gemeinwesen sowohl eine Bestandsaufnahme als auch eine Entwicklung seiner Möglichkeiten aufzuzeigen. [entnommen aus: Eberhard Braun/Felix Heine/Uwe Opolka, Politische Philosophie. Ein Lesebuch. Texte, Analysen, Kommentare, Reinbek 1984] Demokratie in der AntikeÜbersicht:
Die moderne Demokratie ist infolge von Theorieablagerungen entstanden, die in Jahrhunderten aufgeschichtet worden sind, als es um die Durchsetzung der modernen Gesellschaft gegen die Adelsgesellschaften der alten Welt ging. Dabei stand die Antike Pate. Im Gegensatz zur modernen Demokratie ist aber die antike Demokratie nicht mit Hilfe von Theorien, also theoretisch-philosophischen Systemen, eingeführt worden, sondern ist aus der politischen Praxis erwachsen. Da die antike Demokratie eine Ordnungsform der Polis war, lässt sie sich auch nur aus dem Prozess der Polisbildung heraus begreifen. Der Aufstieg, die Verfestigung und der Niedergang der Polis reflektieren damit auch die entsprechende Entwicklung der Demokratie. Folgende Fragen sollen im nachfolgenden Text geklärt werden: Was ist die Polis? Wie sah der Prozess der Polisbildung aus? Wie ist Demokratie entstanden? Und wie hat sich die Demokratie entwickelt? [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Immer wieder wurde versucht, den Begriff der Polis zu übersetzen. Am häufigsten stößt man dabei auf Begriffe wie Stadt, Staat oder gar Stadtstaat. Doch keiner dieser Begriffe wird der Organisation der Polis gerecht. Die Polis war nicht als Stadtgebiet definierbar, weil sie teilweise auch das "Hinterland" mit einbezog; andererseits war sie auch kein Staat, weil sie die typischen Wesensmerkmale eines Staates, wie zum Beispiel Souveränität nach innen und außen, nicht trug. Man muss sich die Polis als Bürgerschaft vorstellen, die politisch und wirtschaftlich unabhängig, also autark, war und durch die Gesamtheit aller freien und gleichen Bürger männlichen Geschlechts bestimmt und regiert wurde. [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Erst durch die Entmachtung des alten Adels und durch die Politisierung der ganzen Bürgerschaft wurde die antike "Schwurgemeinschaft" zur Polis. In der Folge musste sich die Bürgerschaft selbst verwalten und die Schaffung von Ämtern, Institutionen, einem Recht und einem Gericht standen an. In dieser Zeit wurde auch der klassisch-griechische Politikbegriff geprägt, der auf sämtliche Aktivitäten der Bürger abzielt, die im Zusammenhang mit der Polis stehen, wie zum Beispiel deren Gründung, Einrichtung, Instandhaltung und Aktivierung. Das Politische der Griechen basiert auf einer Trennung des Öffentlichen vom Privaten. Sämtliche materiellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten wurden in das Privatleben, den oikos, verlagert. Dort waren die Herrschaftsbeziehungen angesiedelt: die Hausvorsteher als Despoten herrschten über Frauen, die von allen öffentlichen Plätzen und Angelegenheiten ferngehalten wurden, sowie über Kinder und Sklaven. Der politische Bereich aber war gekennzeichnet durch das Zusammentreffen Freier und Gleicher; es gab also keinerlei Über- oder Unterordnungsverhältnisse. Man traf sich in der Volksversammlung und diskutierte über kollektive Ziele und Aktivitäten, Formen und Institutionen des Gemeinwesens usw. Die Politik bestand in der Teilnahme der Bürger an der Organisation und Selbstverwaltung der Polis, die sich in verschiedene Unterabteilungen gliederte (Demen, Trittyen, Phratrien) und durch verschiedene Institutionen, wie zum Beispiel die Volksversammlung, den Rat der 500 oder den Archontat, stabilisierte. Interessant ist jetzt aber, wie und warum die Polis und mit ihr die Demokratie entstanden ist. Wir wollen uns dieser Frage im nächsten Abschnitt annähern. Da es bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts Demokratie im vollen Wortsinn nur in Athen gab und alle späteren demokratischen Verfassungen nach diesem Vorbild geprägt wurden, soll die Entwicklung Athens hier als Beispiel dienen. [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Die Ursache für die Politisierung der breiten Schicht der Bevölkerung waren zum einen soziale und wirtschaftliche Veränderungen, zum anderen Machtkämpfe, in die sich die Adeligen untereinander verstrickten. Im 8. Jahrhundert kam es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung, der sich im Aufblühen von Handel und Gewerbe und der Entstehung einer breiten Mittelschicht niederschlug. Gleichzeitig kam es zu einem immensen Bevölkerungswachstum, der eine Verelendung der ärmeren Schichten, und damit Schuldknechtschaft, nach sich zog. Der erstarkte Mittelstand hatte die Willkür der Aristokraten satt und forderte die Herrschaft des Gesetzes (eunomia). Die Kleinbauern wollten sich von der Schuldknechtschaft befreien und forderten eine umfassende Agrarreform. Die Adeligen verstrickten sich in Fehden und Kämpfe und es kam zur Bildung von Gruppen und Fraktionen. Die politische Situation war also gespannt und verlangte nach einer Auflösung der Spannung und stabilen Ordnungsformen. In der Folge wandten sich einige Adelige dem Volke zu und griffen seine Forderungen auf. 594 v.Chr. wurde Solon zum Archonten von Athen gewählt. Seine Aufgabe war die Reform der Polis, um den drohenden Bürgerkrieg abzuwenden und den Klassenkampf abzuschwächen. Solon beseitigte zwar die Schuldknechtschaft, scheiterte aber an weitergehenden Reformen. Schon bald kam es wieder zu Kämpfen. Die unteren und mittleren Schichten erkannten, dass sie sich selbst engagieren mussten und erkämpften schon bald Mitwirkung und Einfluss. [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Erst Kleisthenes (508/7 v.Chr.) wurde den Forderungen nach neuen Institutionen durch seine Reformen gerecht. Folgende Maßnahmen wurden durchgesetzt:
Konsequenz der Reformen war eine vollständige Entmachtung der Adeligen. Sie mussten sich von nun an mit dem "niederen Volk" in lokalen Vereinigungen (Demen) auseinandersetzen. Außerdem konnten nun auch Ärmere am politischen Leben teilnehmen. Die Beteiligung am politischen Leben wurde zur Pflicht und Aufgabe aller Bürger. Wer sich dem verweigerte, verlor seine Bürgerrechte und aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Mit den Reformen des Kleisthenes wurde die bürgerliche Selbstverwaltung institutionalisiert und mit der Rechtsgleichheit eine gemäßigte Form der Demokratie eingeführt. [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Die Entwicklung der Demokratie Infolge des Ionischen Aufstandes (500-494 v.Chr.) und der Perserkriege (490-479 v.Chr.) festigte sich die Bürgeridentität. Der Sieg über die übermächtigen Perser sicherte nicht nur die Freiheit, sondern erwies, dass die Polis überlebensfähig und überlegen war, und ließ sie in neuem Glanz erstrahlen. Um so mehr engagierten sich die Bürger, so dass die Politik zu einem eigenen Betätigungsfeld aufstieg, in dem mehr Anerkennung, Ruhm und Ehre erlangt werden konnte als in den Feldern der materiellen Produktion. Durch die endgültige Entmachtung des alten Adelsrates (Areopag) unter Ephialtes (462 v.Chr.) wurde der Weg frei für eine radikale Demokratie. Mit Perikles, dem Nachfolger Ephialtes, wurde die Herrschaft des Volkes weiter stabilisiert und Athen auf den Höhepunkt seiner Macht geführt. Die freien Bürger führten ein Doppelleben: neben dem Privatleben hatte sich das politische Leben entwickelt, in dem das Wohl der Stadt vertreten und die Interessen der Gesamtheit berücksichtigt wurden. Die Einführung einer Begrenzung der Amtsdauer und das Losprinzip stellten sicher, dass die meisten Bürger in ihrem Leben ein Amt übernehmen konnten bzw. mussten. Erst als es zum Bruderkrieg zwischen Athen und Sparta kam, wurde die Demokratie und deren Ordnungsform, die Polis, in Frage gestellt. Mit Perikles‘ Tod und den Epigonen, den neuen "Volksführern", die nur ihre eigenen Machtinteressen im Auge hatten, schwand das Vertrauen in das demokratisch herbeigeführte Gesetz. Die Bedeutung der Polis war erschüttert und eine allgemeine Politikverdrossenheit breitete sich aus. Innerhalb von nur acht Jahren wurde die athenische Verfassung vier Mal geändert und 411/10 v.Chr. wurde die Demokratie durch eine Oligarchie ersetzt, um 403 v.Chr. dann wieder restituiert zu werden. [Seitenanfang] [zurück zur Übersicht] Theoretische Reflexionen waren nötig geworden, die zu neuem Engagement aufriefen, die Notwendigkeit und den Sinn der Partizipation begründeten und nach festgefügten Formen suchten, die dem individuellen und sozialen Leben einen neuen Halt und Sinn vermitteln konnten. Platon und Aristoteles vor allem gehörten zu denjenigen, die versuchten, die erschütterte Polis wieder aufzurichten. Auf die Einzelheiten ihrer Lehre soll hier nicht eingegangen werden, sondern statt dessen das weitere Schicksal der Demokratie skizziert werden. Krieg und Verwüstung unter den Poleis dominierten die Folgezeit, bis etwa zwei Jahrzehnte später der König Makedoniens, Philipp, die Vorherrschaft in Griechenland erlangte und 338 v.Chr. mit dem Sieg auf dem Schlachtfeld von Chaironeia die alten Poleis ins spätere Alexanderreich eingliederte. Damit war die Demokratie zerfallen. An deren Stelle trat die Oligarchie der Honoratioren. Die Volksherrschaft, die so bahnbrechende Erfolge erzielt hatte, war sich selbst zum Verhängnis geworden. Der ungezügelte Machtwille hatte die Athener in den mörderischen Krieg mit Sparta getrieben und so ihren Niedergang eingeleitet. Für zwei Jahrtausende verschwand die Demokratie von der Weltbühne, um dann im 18. Jahrhundert von Theoretikern im Kampf um die moderne Demokratie ins Gedächtnis gerufen zu werden.
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