Bürgerinitiativen

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Parteien

Bürgerinitiativen und Parteien

Die gestiegene Partizipationsbereitschaft eines Teiles der Bevölkerung (vor allem Menschen mit überdurchschnittlichem Bildungsgrad) fand seit Anfang der siebziger Jahre ihren Niederschlag in einer wachsenden Zahl von Bürgerinitiativen auf lokaler und regionaler Ebene (zum Beispiel gegen den Bau von Atomkraftwerken), um Missstände und Fehlplanungen zu verhindern oder zu beseitigen. Mit Hilfe der öffentlichen Meinung sollen die Entscheidungen der Parteien und Parlamente beeinflusst werden.

Einerseits fördern die Bürgerinitiativen das politische Engagement und helfen mit, Apathie zu überwinden. Sie sind Ausdruck eines gestiegenen Selbstbewusstseins der Bürgerinnen und Bürger, die nicht als Objekt von Staat und Verwaltung herhalten wollen. Andererseits sind die Bürgerinitiativen, und das liegt in der Natur der Sache, da sie kein allgemeines Mandat der Bevölkerung wie die Parteien besitzen, meistens auf ein Problem ausgerichtet. Die Mehrzahl der Bürgerinitiativen verfolgt relativ eng umgrenzte, zeitlich befristete Ziele. Die Rolle der Bürgerinitiativen in der Parteiendemokratie wie ihr Verhältnis zu den einzelnen Parteien ist unterschiedlich. Das Repertoire reicht von strikter Neutralität und Zusammenarbeit mit allen Parteien über Anlehnung an einzelne Parteien bis zur Ablehnung des Parteiensystems überhaupt. Die ersten Bürgerinitiativen entstanden Ende der sechziger Jahre. Inzwischen ist ihre Zahl auf insgesamt mehrere Tausend angewachsen.

Die Ursachen für das Entstehen der Bürgerinitiativen sind vielfältiger Natur: ein verbreitetes Unbehagen gegenüber der mangelnden Bürgernähe der großen Parteien, unzureichende Mitwirkungsmöglichkeiten auf anderen Ebenen des politischen Lebens, die Abneigung gegenüber konventionellen Formen politischer Betätigung. Das Engagement in Bürgerinitiativen vermittelt aufgrund der vielfach sehr konkreten Anliegen vor Ort eher Erfolgserlebnisse als das Wirken innerhalb schwer beeinflussbarer Parteiapparate. Zudem können die Volksparteien mit ihrer notwendigerweise allgemeineren Programmatik ganz spezifische Interessen vielfach nicht befriedigen.

Der zunehmende Problemdruck — hervorgerufen durch die Grenzen des Wachstums, die Schattenseiten des technischen Fortschritts und eine gestiegene Erwartungshaltung der Menschen — verlangt nach neuen Lösungskonzepten der Parteien. Parteien und Bürgerinitiativen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen einander. Bürgerinitiativen sind somit nicht notwendigerweise ein Krisensymptom für das politische System, da eine offene Gesellschaft von der politischen Aktivität der Menschen zu profitieren vermag. Sie bedeuten keineswegs einen Verfall der Parteiendemokratie, mag in die Parteien auch eine gewisse Verunsicherung eingekehrt sein (...).

[Uwe Backes/Eckhard Jesse, aus: Informationen zur politischen Bildung 207, Parteiendemokratie, Bonn BpB 1997]

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