Modell 3

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Parteien

Parteien und Medien - Modell 3:

Das bottom-up-Modell

Das dritte Modell propagiert das klassische demokratische Credo, dass die Politik von unten durch den Willen der Wähler über das Sprachrohr der Medien beherrscht sein muss.

Das Publikum bestimmt die politische Agenda, die Medien sind das Sprachrohr, das nur verstärkt, um die Politiker in Parteien und Regierungen zu erreichen. Durch die Wahlen besitzen die Bürger darüber hinaus noch einen direkten Kanal der politischen Willensbildung. Die demokratisch gewählte Politik beeinflusst die Ereignisse der realen Außenwelt. Die Rückwirkungen werden dann wiederum von den Wählern direkt gespürt und aufgenommen. Damit kann der Regelkreis von vorne beginnen.

(...) Die Wirklichkeit ist anders geworden, so haben wir aufgrund der Skizze der beiden anderen Modelle gelernt. Die Parteien beeinflussen die Medien durch Kommunikationsmanagement und durch professionelle PR; sie dominieren den öffentlich-rechtlichen Rundfunk; sie dosieren ihre Zuwendung an genehme Journalisten; sie erfinden Ereignisse als symbolische Politik, woran die Medien eifrig mitstricken. Diese drängen ihre Agenda der Politik und den Bürgern auf, sie expandieren mit Flachsinn auf Kosten von sachlicher Information und solider Nachricht und versuchen endlich, sich die Politik auch noch zu unterwerfen.

Wo bleibt da der Bürger? Sicher gibt es dennoch einige Aspekte, die gegen die geschilderten Szenarien für das bottom-up-Modell sprechen. So bedeutet die Kommerzialisierung des Rundfunks — schließlich war die Presse schon immer privatwirtschaftlich dominiert — eine Markt-, Kunden- und Zuschauerorientierung, die man nach Qualitätsmerkmalen beklagen mag, die aber durchaus dem Publikumsgeschmack über die Messgröße der Einschaltquote dient. Jarren konstatiert deshalb: »Aus vormals auf den Staat und die gesellschaftlichen Organisationen festgelegten >Klassenmedien< wurden auf die Gesellschaft verpflichtete >Massenmedien< und werden jetzt zunehmend publikumsorientierte >Zielgruppenmedien<, die sich als höchst wandlungsfähig erweisen, indem sie von Fall zu Fall ihr Publikum suchen oder die Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen verfolgen.« Dabei müsse und dürfe man dieses Publikum auch nicht überfordern.

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Im Alltag der meisten Menschen spielt Politik doch eine höchst marginale Rolle; er wird von privaten Ereignissen und interpersonaler Kommunikation geprägt. Gerade die Vielseher sind unpolitisch; gleichzeitig gehören sie gesellschaftlich eher zu den unterprivilegierten Schichten. Ob man die Ergebnisse der Medienforscher über die Zunahme des Fernsehkonsums nicht viel kritischer gewichten müsste, ist deshalb zu fragen. Dann müsste man nämlich eingestehen, dass die Politiker und die Kommunikationsstrategen das Fernsehen bei weitem überschätzen.

Beim Hörfunk sind immerhin mit den zahlreichen Lokalradios Demokratisierungsansätze zu beobachten, und bei den Printmedien hat sich durch einfache und billigere Kopier- und Satztechniken eine technische Revolution ereignet, die es auch Bürgerinitiativen, Selbsthilfegruppen und Stadtteilforen ermöglicht, attraktive Blätter zu gestalten, zu vervielfältigen und zu verteilen. Die Möglichkeiten der Gegenöffentlichkeit von unten sind durch diese Techniken also deutlich gewachsen (...).

Ob sich durch die viel weitergehende Multi-Media-Revolution tatsächlich eine elektronische grass-roots-Bewegung von unten via Internet und anderen nicht hierarchischen und nichtkommerziellen Netzen ergeben wird, mag mancher angesichts der Euphorie, die vorherrscht, noch mit Skepsis betrachten. Jedenfalls existieren neue Medien und Netze der Kommunikation von unten gegen die Allmacht der Parteipolitiker und Medienkonzerne von oben. Und es gibt neue Trägergruppen und neue Inhalte (...). Die Erfolge der Nongovernmental Organizations (NGOs) sind weltweit bemerkenswert, wie in den neunziger Jahren die Umweltkonferenz in Rio, die Sozialkonferenz in Kopenhagen oder die Frauenkonferenz in Peking gezeigt haben. Die Aktion von Greenpeace gegen den großen Shell-Konzern im Sommer 1995, um durch Mobilisierung der Öffentlichkeit die Versenkung der Ölbohrinsel Brent Spar in die Nordsee zu verhindern, war eine verblüffende Leistung.

Freilich: War das wirklich bottom-up-Kommunikation? War dieser Erfolg nicht nur durch das Zusammenspiel eines Anstoßes von unten, der Veröffentlichung und Verbreitung durch die großen Medien (deren Kameramänner von Greenpeace gleich per Hubschrauber mit abgesetzt wurden) und durch die etablierten Politiker, die sich von rechts bis links recht opportunistisch den Boykottaufrufen anschlossen, möglich? In der Tat, es bleibt ein unangenehmer Beigeschmack, wollte man diese Aktion lediglich als Sieg der Öffentlichkeit von unten feiern. Es war ein Sieg der gesamten Mediengesellschaft.

[...zum Text über das Biotop-Modell]

[aus: Ulrich von Alemann, Parteien und Medien, in: O. Gabriel u.a. (Hg.), Parteiendemokratie in Deutschland, Bonn BpB 1997]

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