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| Was macht eine Volkspartei aus? Der folgende Text versucht in knapper Form eine Definition von "Volkspartei" zu geben. Im anschließenden Text werden die wesentlichen Argumente der wissenschaftlichen Kontroverse um Volksparteien dargestellt.
Die Volksparteien der Gegenwart sind Parteien mit einem breiten sozialen Spektrum (Wähler, Mitglieder), die in dieser Hinsicht durchaus unterschiedliche Schwerpunkte aufweisen können (...), mit einer pluralistischen organisatorischen Struktur, was besonders in der Existenz sogenannter Partei-"Flügel" zum Ausdruck kommt, und mit einem beträchtlichen Bestand hauptamtlicher Mitarbeiter. Volksparteien besitzen bestimmte, wenn auch verschiedenartige oder vage, weltanschauliche Orientierungen, entwickeln eine umfassende Programmatik und verfolgen vor allem das vorrangige strategische Ziel, so viele Stimmen auf sich zu vereinigen, dass sie — möglichst allein — die Regierung bilden können. (...) Die Volksparteien verstehen sich als Parteien, die grundsätzlich für all jene wählbar sind, die keine systemsprengenden Ziele verfolgen bzw. derartige Mittel verwenden. Sie wollen eine am Gemeinwohl orientierte Politik betreiben, die um einen Ausgleich, einen Kompromiss zwischen den Interessen der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Schichten bemüht ist. [...] Volksparteien sind Ausdruck einer pluralistisch-demokratischen, einer "offenen" Gesellschaft, in der gleichermaßen eine so starke Angleichung wie Differenzierung der Arbeits- und Lebensbedingungen stattgefunden hat, dass ein Werben um breitere Bevölkerungsschichten überhaupt erst möglich ist, weil ihm keine unüberbrückbaren ideologischen Barrieren und Interessenlagen mehr entgegenstehen. [aus: Peter Haungs, Parteiendemokratie in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1980; zit. nach: Informationen zur politischen Bildung 207, Bonn BpB 1997] Kritiker des Typus der Volkspartei (...) verweisen darauf, dass diese einer Verschleierung der Machtverhältnisse Vorschub leistet: Tatsächlich bestehen — aus der Sicht der Kritiker — die grundlegenden Konflikte einer politischen Ordnung, die auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln beruht, nach wie vor. Die Bezeichnung "Volkspartei" ist im Grunde ein Widerspruch in sich, da eine Partei nicht das gesamte Volk repräsentieren kann. Die Ideologie der "Volkspartei" — so die Kritiker — verzichtet darauf, das reale Klasseninteresse breiter Bevölkerungsteile zu mobilisieren, begnügt sich vielmehr mit unkritischen Werbefeldzügen und redet einer Personalisierung das Wort. Ein theorieloser Pragmatismus verführt zu Grundsatzlosigkeit und Leerformeln. Wer Volksparteien propagiert, passt sich dem Status quo an und will die Gesellschaft nicht grundlegend umgestalten. Befürworter der Volksparteien (...) begrüßen diese als notwendige Konsequenz einer sozial nicht polarisierten Gesellschaft: Das Verhältnis der Parteien in einer Demokratie (...) darf nicht von Feindschaft geprägt sein. Will eine Partei möglichst viele Wählerinnen und Wähler ansprechen, muss sie ihre Programmatik so weit fassen, dass sich auch (bisherige) Anhänger anderer Parteien angesprochen fühlen und überzeugen lassen. Sicherlich ist es problematisch, wenn sich der Parteienwettbewerb bei der Wahl auf ein Personalplebiszit reduziert (...). Wer freilich "glasklare" Alternativen wünscht, übersieht dabei, dass die Wählerinnen und Wähler derartigen Konzeptionen eine Absage erteilen würden. Der so massive wie dauernde Misserfolg der Parteien, die sich bewusst nicht als Volksparteien verstehen, bringt dies klar zum Ausdruck. [Uwe Backes/Eckhard Jesse, aus: Informationen zur politischen Bildung 207, Parteiendemokratie, Bonn BpB 1997]
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