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Vorbilder

Tutus Bedeutung im Kampf gegen die Apartheid

Das südafrikanische Apartheidregime wurde weltweit zu einem Synonym für Ungerechtigkeit und Verstoß gegen die Menschenrechte. Seit 1948 hatte die weiße Minderheit eine getrennte Entwicklung der verschiedenen Rassen im politischen, wirtschaftlichen, sozialen und räumlichen Bereich angestrebt. Ziel dieser Politik war es, die Vorherrschaft der weißen Minderheit zu zementieren und die "nicht-weißen" Südafrikaner zu unterdrücken. Anfang der 90er Jahre war - nach über vier Jahrzehnten Apartheid - der nationale und internationale Druck auf die südafrikanische Regierung so stark geworden, dass das Apartheidsystem abgeschafft wurde. Desmond Tutu hat eine Schlüsselrolle im Prozess der Überwindung der Apartheid gespielt.

Schon Anfang der 70er Jahre hatte der Priester Desmond Tutu begonnen, auf die Situation in Südafrika aufmerksam zu machen. Auf Konferenzen, in seinen Predigten, bei Auslandsbesuchen, in Artikeln – Tutu nutzte jede Chance um aufzuzeigen, wie böse, unmoralisch, diabolisch und unvereinbar mit dem Evangelium Jesu Christi die Apartheidideologie war. Als er 1975 Dekan von Johannesburg geworden war, schrieb er einen verzweifelten Brief an den damaligen Premierminister Vorster, um ihn auf die angespannte und hochexplosive Lage in Südafrika aufmerksam zu machen. Der Brief blieb unbeachtet und die Situation in Südafrika verschlechterte sich mit jedem Tag.

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Tutu erkannte schon bald, dass die weiße Regierung nicht verhandlungsbereit war, und dass der einzig mögliche Weg zu einer Abschaffung der Apartheid internationaler Druck war. Seine Ernennung zum Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrates, in dem fast alle Kirchen Südafrikas vertreten waren, öffneten Tutu die Tore zur Welt und verschafften ihm das nötige politische Gewicht. Mit der Unterstützung der Bischöfe der anderen Kirchen konnte er es sich erlauben, die südafrikanische Bevölkerung zu zivilem Ungehorsam und das Ausland zu einem Wirtschaftsboykott Südafrikas aufzurufen. In Anerkennung seines Kampfes wurde ihm 1984 der Friedensnobelpreis verliehen, der Südafrika in den internationalen Fokus rücken ließ und Tutu noch mehr Gewicht und Wirkungsmöglichkeiten verschaffte [zu Tutus Nobelpreisrede].

Als Mitte der 1980er Jahre bürgerkriegsähnliche Zustände in Südafrika herrschten, und die Regierung nur noch mit der Verhängung des Ausnahmezustandes und einem Verbot aller Anti-Apartheid-Organisationen zu reagieren wusste, war das Todesurteil über die Apartheid gesprochen. Dank Tutus unaufhörlichem Aktivismus war der internationale Druck auf Südafrika in Form von Sanktionen und Boykotten enorm geworden – der Weg weg von der Apartheid und hin zu einem demokratischen Südafrika war geebnet.

Was aber genau war es, das die Menschen – schwarz wie weiß – an Tutu fesselte und faszinierte, was ihm Gehör und Respekt in der ganzen Welt verschaffte, und ihm letztlich den Erfolg und diese Bedeutung bescherte? Was unterschied Tutu von anderen schwarzen Führern und ließ ihn zum Vorbild werden? Ein sehr wichtiger Faktor war sicherlich Tutus "Farben- und Rassenblindheit".

Als Priester hatte sich Desmond Tutu schon in den 60er Jahren mit der "Schwarzen Theologie" beschäftigt, die besagt, dass Gott als Mensch, und nicht als Tier oder anderes Wesen, auf die Welt gekommen ist. Der Mensch ist folglich ein Abbild Gottes, unabhängig von Farbe oder Rasse. Diese Theorie impliziert zweierlei: Einerseits kann man sie als Befreiungstheorie deuten, die den Kampf gegen die Apartheid theologisch begründet. Andererseits besagt diese Theorie aber auch, dass Menschen aller Farben und Rassen gleichwertig sind. Tutu betonte immer wieder, dass es ihm im Kampf gegen die Apartheid nicht nur um die schwarze Bevölkerung ging, sondern auch um die weiße. Denn Versöhnung war nur durch Verhandlungen zwischen Gleichberechtigten möglich. Solange aber der schwarze Mann nicht frei sei, konnte es auch der weiße Mann nicht sein, weil er immer in Angst vor dem schwarzen Mann leben müsse. Grundvoraussetzung für Frieden und Demokratie in Südafrika war also der Aufbau der Würde des schwarzen Mannes.

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Sein Anliegen an der weißen Bevölkerung unterschied Tutu von den häufig radikalen schwarzen Führern. Er war moderater als diese und beherrschte die Sprache der weißen Bevölkerung. Damit konnte er nicht nur viele schwarze Stimmen für sich gewinnen, die sich mit Tutus Ziel der Regenbogennation Südafrika, in der alle Menschen friedlich zusammenleben, identifizieren konnten. Es verhalf ihm auch zu Akzeptanz und Glaubwürdigkeit in der weißen Bevölkerung Südafrikas und dem Ausland und machte ihn zu einem der wenigen schwarzen Gesprächs- und Verhandlungspartner.

Tutus Liebe zu allen Menschen gleichermaßen liegt schon in seiner Kindheit begründet, als er mit vierzehn Jahren an Tuberkulose erkrankt im Krankenhaus lag, und der weiße Priester Trevor Huddleston ihn zwei Jahre lang täglich besuchte. Weitere Schlüsselereignisse waren sicherlich Tutus langjährige Englandaufenthalte, in denen er zum ersten Mal von Weißen als Mensch und nicht als Schwarzer behandelt wurde und die ihm Hoffnung und Kraft gaben im Kampf um die Verwirklichung der "Regenbogennation" Südafrika.

Von immenser Bedeutung war auch Tutus Überzeugung, dass ein Wandel friedlich und ohne Gewalt herbeigeführt werden müsse. Tutu schöpfte alle Mittel gewaltlosen Widerstandes aus: Proteste, Demonstrationen, Kundgebungen, ziviler Ungehorsam und Aufrufe zu Boykotten gehörten zu seinem Repertoire, das sich letztendlich als höchst wirksam herausstellen sollte. Auch in den aussichtslosesten Momenten rief er die schwarze Bevölkerung auf, keine Gewalt anzuwenden. Immer und immer wieder distanzierte er sich von gewalttätigen Übergriffen der schwarzen Bevölkerung, indem er betonte, dass schwarze Gewalt genauso zu verurteilen sei wie weiße Gewalt. Obwohl er damit, vor allem in den letzten Tagen der Apartheid, oft alleine auf weiter Flur stand, hat seine konsequente Linie ihm nicht nur die Anerkennung durch das Friedensnobelpreiskomitee gebracht, sondern auch Gehör im Ausland verschafft, was sich als essentiell im Kampf gegen die Apartheid erwies.

Eine Gabe, die weiße und schwarze Menschen gleichermaßen an Desmond Tutu fesselte und auch heute noch fesselt, ist seine umwerfende Persönlichkeit. Der nur 160 cm große Tutu gilt als brillanter Prediger der alten afrikanischen Schule, aber gleichzeitig als fordernder und sachlicher Redner und Verhandlungspartner; als "Komödiant Gottes", der in der angespanntesten Situation für Gelächter sorgt, aber auch als guter, sensibler Zuhörer. Diesem Charisma und seiner durch nichts zu erschütternden Menschenliebe verdankt er seine Popularität, die sogar die südafrikanische Regierung, deren größter Feind er war, gegen ihn machtlos machte.

Desmond Tutu sah seine Berufung in der Versöhnung der Völker Südafrikas. Um dieses Ziel zu erreichen, war er bereit, auch mit seinem Leben zu bezahlen. Doch der unerbittliche Kampf zahlte sich aus. Heute ist die Apartheid abgeschafft und Südafrika hat eine demokratisch gewählte, schwarze Regierung. Der Grundstein für eine Versöhnung der Völker wurde durch die Arbeit der Wahrheits- und Versöhnungskommission gelegt, deren Vorsitzender Desmond Tutu sich auch heute noch weltweit für Menschenrechte einsetzt.

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