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Vorbilder

Guatemala 

Die Geschichte Guatemalas von der Kolonialisierung und der Ausrottung der Maya-Hochkultur durch die Spanier bis zum blutigen Bürgerkrieg, der bis heute anhält, bildet den Hintergrund für das Leben und Wirken Rigoberta Menchú Tums. Der folgende Text wurde der Webseite der Protestantischen Kirchengemeinde Mutterstadt entnommen. Er gliedert sich in folgende Abschnitte:

Guatemala heute

Counter Insurgency

Auf dem Weg zum Frieden

Weitere Texte:

bulletAusschnitt aus einem Text von Global Vision über die Geschichte Guatemalas (englisch)
bulletAuszüge aus dem Bericht von Amnesty International über Guatemala 1996 (englisch)

 

Guatemala heute

Guatemala war einst genauso wie Peru ein reiches, fruchtbares und zivilisiertes Land, das Land der Mayas. Die Mayas waren Meister in Astronomie und Mathematik. Ihr Kalender war damals (im 16. Jh.) weitaus genauer als der in Europa bekannte gregorianische. Die Mayas konnten die Bahnen der Himmelskörper vorausberechnen und wussten, wann die günstigsten Zeiten für Saat und Ernte waren. Auch die Mayas hatten, wie die Inkas, eine gut funktionierende Landwirtschaft, sie kannten keinen Hunger, bis die Spanier kamen, und auf ihrer Suche nach Gold die Mayas von ihrem Land vertrieben und zu Sklaven machten. Heute ist die wirtschaftliche Lage ebenso erbärmlich wie in Peru.

Die Lebenserwartung der Bevölkerung liegt bei 41 Jahren, jedes fünfte Kind erlebt nicht seinen 4. Geburtstag, jedes zehnte nicht seinen 1. Geburtstag und nur jedes 3. Kind erlebt seinen 15. Geburtstag. Heute herrschen die Nachfahren der Spanier, die ca. 2,1% der Bevölkerung ausmachen aber 70% des kultivierbaren Bodens besitzen und die Führung des Militärs stellen. 70% der Bevölkerung sind auch heute noch Indios. Sie leben in den Nordprovinzen an der Grenze zu Mexiko. Bis heute werden die Indios immer wieder von ihrem Land vertreiben. Die Indios besitzen keine Urkunden, die sie als Besitzer ihres Landes ausgibt. Für die Indianer ist das Land die Mutter Erde, die alles Menschen reichlich zu essen gibt. Und in diesem Land sind auch die Ahnen begraben, weshalb für die Indianer Vertreibung nicht nur eine wirtschaftliche Katastrophe ist...

Versuche der Indios, ihr Recht auf Land friedlich einzufordern, wurden mehrfach mit brutalen Massakern beantwortet. Die Stärke der Armee wurde von 1973-1988 vervierfacht, durch Zwangsrekrutierung der jungen Indios, die gezwungen werden, ihre eigenen, als "fehlgeleitete Kommunisten" beschimpfte Leute brutal zu verfolgen und zu vernichten. Um einen kleinen Eindruck zu bekommen, was Vertreibung und Aufstandsbekämpfung konkret bedeuten, versuche ich eine kurze Zusammenfassung der Erfahrungen zu geben, die Rigoberta Menchú bewogen haben, trotz alledem zu kämpfen:

Felipe starb auf der Finca, als sie vom Flugzeug aus die Kaffeeplantage besprühten, während die Leute noch bei der Arbeit waren. Er hat das Pflanzenschutzmittel nicht vertragen. Nicolas starb zweijährig an Unterernährung, ebenfalls auf der Finca. Irgend jemand schenkte Rigobertas Mutter einen Pappkoffer, in dem sie das Kind begrub. Dadurch verlor sie einen Tag bei der Arbeit, da warf der Aufseher sie raus. Damals war Rigoberta gerade 8 Jahre alt. 18 Jahre später verschleppten Soldaten Petrocinio, den jüngsten Bruder, der Katechet und Dorfsekretär war, 16jährig, folterten ihn tagelang, schnitten ihm Körperteile ab, zogen ihm Kopfhaut und Fußsohlen ab, übergossen ihn schließlich mit Benzin und ließen ihm bei lebendigem Leib, vor den Augen der Angehörigen, verbrennen. Der Vater ist 1979 bei der Besetzung der spanischen Botschaft verbrannt. Die Mutter wurde 1980 verschleppt, mehrfach vergewaltigt, verstümmelt und schließlich zu Tode gequält...

Es gibt 22 verschiedene Sprachen der Ureinwohner. Das macht die Leistung, dass die Indios es 1978 geschafft haben, eine gemeinsame Organisation, das Comite de Unidad Campesina (CUC), zu organisieren, umso erstaunlicher. Die meisten Indios können kein Spanisch, die meisten haben nie eine Schule gesehen.

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Counter Insurgency und die "Politik der verbrannten Erde"

Seit der Unabhängigkeit zu Beginn des 19. Jh. gab es immer wieder Aufstände. 1944 gelangte eine "revolutionäre Bewegung" an die Regierung, was für die Großgrundbesitzer und für verschiedene nordamerikanische Unternehmen (u.a. United Fruit Company) Alarm bedeutete. Jedenfalls sahen diese Unternehmen ihre Interessen gefährdet und haben zusammen mit dem CIA in Guatemala interveniert und 1954 eine Militärdiktatur mit dem General Castillo Armas als Präsident eingesetzt. Seitdem regiert das Militär. Der 1958 gewählte Präsident Ydogoras wird 1963 wieder von einer Offizierstruppe gestürzt. Bis 1978 basierte die Aufstandsbekämpfung überwiegend auf "selektiver Repression", d.h. Verschwindenlassen von Einzelpersonen, vor allem von Führungskräften von Volksorganisationen, Gewerkschaften usw.

Unter den Militärdiktaturen von Lucas Garcia (1978-1982) und Rios Montt (1982-1983) wurde mit dem gemeinsam mit der CIA ausgearbeiteten Stufenplan der Counter Insurgency der offene Krieg gegen die Zivilbevölkerung begonnen, die als "Politik der verbrannten Erde" in die Geschichte einging. Die Armee löste mit Massenerschießungen und -verbrennungen, mit grausamen Folterungen der Menschen und der vollständigen Zerstörung und Niederbrennung von 440 Indio-Dörfern eine Massenflucht innerhalb des Landes und ins benachbarte Ausland (vor allem Mexiko) aus. Die Gräuel waren unvorstellbar: schwangeren Frauen wurden der Bauch aufgeschlitzt, Kinderköpfe wurden an Steinen zerschmettert ...

"Ergebnis" der militärischen Repression 1978-1986: 150 000 Ermordete, 46 000 Verschwundene, 300 000 Waisenkinder, Zahlen, die auch für lateinamerikanische Verhältnisse, gelinde gesagt, sehr hoch sind. Zur Counter Insurgency gehört auch die Errichtung von sog. "Modelldörfern", wo die Indios in einem Art Sicherheitstrakt leben, umzäunt und vom Militär kontrolliert und bewacht.

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Auf dem Weg zum Frieden

Aufgrund massiven nationalen und internationalen Drucks sah sich 1986 das Militär gezwungen, einen "Übergang zur Demokratie" zu ermöglichen und so gelangte erstmals seit 1963 wieder ein ziviler Präsident an die Regierung, was aber kaum etwas änderte an der Politik und an den Aktivitäten der wahren Machthaber. Bevor die Militärregierung abtrat, erließ sie eine Amnestie für alle Menschenrechtsverletzungen, die unter ihrer Herrschaft (1983-1986) erfolgen. Die folgenden Zivilregierungen haben es dabei bewenden lassen, mit dem Ergebnis, dass bis heute nicht ein Fall zivilrechtlich verfolgt wurde, was im Klartext weitere Ermordungen im Voraus sanktioniert, die Mörder müssen nach wie vor mit keinerlei Strafen rechnen.

Trotz alledem haben die Indios, und zum Teil auch die armen Ladinos, sich organisiert und haben sich unter viel Opfer den vom Ausland unterstützten Großgrundbesitzern, dem multinationalen Kapital und dem hochgerüsteten Militär entgegen gestellt. Seit 1993 gibt es verschiedene Abkommen und Verträge zwischen der Regierung. Seitdem sind ca. 20.000 Flüchtlinge unter der Begleitung von UNO oder verschiedenen Flüchtlingsorganisationen aus dem Exil (meist Mexiko) zurückgekehrt. Die Rückkehrer erwartet bestenfalls eine frisch gerodete Fläche im Urwald. Dazu kommt, dass die sogenannten "Zivilpatrouillen", die über Jahre hinweg zwangsrekrutiert und bewaffnet wurden, um die indianische Bevölkerung zu terrorisieren, weiterhin aktiv sind.

 

 

Guatemala...

...wird wegen des milden Klimas als das "Land des ewigen Frühlings" bezeichnet. Als drittgrößtes Land Zentralamerikas grenzt es an Mexiko, Belize, Honduras und El Salvador.

Offizieller Name: Republik Guatemala

Hauptstadt: Guatemala

Fläche: 108.889 km2

Bevölkerung: ca. 10 Millionen (davon sind über 50% Maya-Indianer)

Amtssprache: Spanisch

Religion: Römisch-katholisch

Analphabeten: ca. 40%

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The Maya were the most advanced urban civilisation in the pre-Columbian Americas. They invented the concept of "zero" centuries before it was independently formulated in India, and measured the solar year with an error of only 17.28 seconds. Having flourished for two millennia in an area of 3,255,000 sq.km, they were first invaded by Spain in 1527, but put up such fierce resistance that the capital of their last kingdom to fall, Itza at Nojpeten, was not captured until 1697. Had the Maya not been decimated by European diseases such as chicken pox and measles, some historians believe the Spanish conquest might have ended in total defeat. According to Roderick Conway Morris, "One of the greatest crimes perpetrated against the Maya was the destruction of their thousands of books, spearheaded by the Franciscans, who - while preaching harmony and brotherly love - presided over a scorched-earth policy, backed up by the threat of the physical extinction of any who dared to resist it. So complete was the friars' success that only four books in Maya script survived."

More recently, the Guatemalan civil war began when the CIA toppled the democratically-elected government in 1954. The US-backed right-wing military juntas which followed have had one of the worst records of political repression, human rights abuses, and atrocities in recorded history. After opposition groups began organising among Indians in the countryside, the military responded with death squads and a scorched-earth "counterinsurgency" strategy that destroyed over four hundred ancient Mayan villages, displaced one million people, and left a hundred thousand unarmed Indians dead. Hundreds of mass graves across the country contain the remains of massacred civilians.

 

[Global Vision, www.global-vision.org/interview/menchu.html]

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Report from Amnesty International 1996 concerning Guatemala (Excerpts)

A Pattern of Systematic Human Rights Violations

Amnesty International continues to document a disturbing pattern of human rights violations in Guatemala. Extrajudicial executions, disappearances, torture, death threats, harassment and intimidation persist. The violations have been directed at many sectors of society including: trade unions and popular organizations, human rights defenders, journalists, students, religious personnel, those attempting to investigate past human rights violations, witnesses, former refugees and displaced people returning to their lands and street children. Of particular concern is the alarming level of threats and attacks that have been reported against human rights defenders during the year. Some have been the subject of verbal or written death threats as a result of their work. Others have been attacked and killed.

The perpetrators of these human rights violations are mainly the police and military and army-created civil patrols. In addition and citing the rise in urban crime, the government reportedly promoted the creation of new civilian self-defense squads to be armed and trained by the military. Both these and other new vigilante-style groups, also apparently working with official complicity, have allegedly engaged in social cleansing, killing members of youth gangs and others involved in petty crime. These new death squads have also been implicated in human rights violations against those perceived as being opponents of the government, reportedly disguising the attacks as common crimes to escape official accountability.

There has been little progress in clarifying the tens of thousands of past abuses. Those responsible for human rights violations continue to benefit from almost total impunity. In August, the United Nations (UN) Subcommission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities expressed deep concern at the impunity enjoyed by the perpetrators of human rights violations and at the inability of the judicial system to bring intellectual and material perpetrators of such acts before the courts. The Subcommission, reflecting reports and statements by MINUGUA, the United Nations Mission in Guatemala and Mónica Pinto, the UN Special Expert, found that the majority of the violations breached the rights to life, integrity and personal security, and that state agents were either directly implicated or had failed in their duties to assure these rights to its citizens.

To date, none of those responsible for the deaths of thousands of people during the late l970s and early l980s at the height of the army's counter-insurgency campaign, have been brought to justice. During 1995, independent forensic groups undertook further exhumations at sites where large-scale extrajudicial executions had been reported during this period. Several hundred remains were uncovered, but Amnesty International knew of no case where official bodies undertook investigations to determine how the victims died nor who was responsible. Instead, family members, witnesses and human rights defenders involved in the exhumations were themselves threatened and harassed.

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Am 5. Oktober 1995 schossen 26 Soldaten in dem Dorf Xaman in Alta Verapaz auf 200 heimkehrende Flüchtlinge und töteten 11 Menschen und verletzten 30. Im Februar 1996 vertrieben Polizisten mehrere hundert Bauern in San Lucas Toliman im Bezirk Solola, von denen 3 schwerverletzt wurden und 25 seither "verschwunden" sind. Mit einer Bestrafung ist kaum zu rechnen, auch wenn die Täter bekannt sind. Am 29. Dezember 1996 wurde von der Regierung (Präsident Arzu) und dem Zusammenschluss der verschiedenen bewaffneten und unbewaffneten Organisationen, der URNG (Unidad Revolutionaria Nacional Guatemalteca) ein Friedensvertrag unterzeichnet. Mit Unterzeichnung dieses Vertrags traten verschiedene Teilabkommen in Kraft, über

bulletdie Wiederansiedlung der Flüchtlinge,
bulletdie Einrichtung einer "Wahrheitskommission",
bulletdie Identität und Rechte der indigenen Völker,
bulletsoziökonomische Aspekte und die Agrarfrage.

Teil des Friedensvertrags ist auch, dass die verschiedenen Guerillaorganisationen innerhalb der nächsten 2 Monate ihre Waffen abgeben und sich zu einer legalen Partei, der "einheitlichen revolutionären Partei" PRU zusammenschließen wollen. Erneuter Wermutstropfen: am 18. Dez 96, also kurz vor Unterzeichnung des Friedensvertrages, hat das guatemaltekische Parlament erneut eine Amnestie für alle "im Zuge des Konflikts" begangene Verbrechen erlassen. Das Wort Friedensprozess heißt in der Sprache der Mayas "Einigt euch, aber immer in großer Freude", womit die Indianer ausdrücken, dass es um eine Lebenseinstellung geht, nicht um ein Geschäft.

[entnommen aus: http://members.aol.com/PfrJung/guatema.htm, Prot. Kirchengemeinde Mutterstadt]

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