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Presseberichte über Rigoberta Menchú

Die folgenden Presseberichte stammen alle aus dem Jahr 1992, als Rigoberta Menchú den Friedensnobelpreis erhielt. Sie schildern die Vorgeschichte der Verleihung und die Reaktionen in Guatemala.

Text 1: Vorgeschichte der Verleihung des Friedensnobelpreises an Rigoberta Menchú

Text 2: Reaktion in Guatemala auf die Preisverleihung

Weitere Presseberichte über den Friedensnobelpreis an Rigoberta Menchú in englisch finden Sie auf der Seite Press.

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Die Vorgeschichte der Preisverleihung

Im mexikanischen Exil veröffentlicht Rigoberta Menchú 1983 das inzwischen in zehn Sprachen übersetzte Buch "Yo, Rigoberta Menchú". Gemeinsam mit anderen Flüchtlingen gründet sie die "Vereinigte Vertretung der guatemaltekischen Opposition" (RUOG), die über lange Zeit als einzige Organisation die guatemaltekische Bevölkerung bei der UN-Menschenrechtskommission vertritt. Seit (...) 1987 nimmt sie aktiv am "Nationalen Dialog" teil, den von der Kirche und ausländischen Politikern vermittelten Versöhnungsgesprächen zwischen der Regierung und der Guerilla. Vier internationale Universitäten zeichnen sie mit dem Ehrendoktortitel aus, auch die UNESCO würdigt Rigoberta Menchú mit einem Preis.

Der Vorschlag, Rigoberta Menchú für ihren unermüdlichen Kampf um die Rechte der Indigenas den Friedensnobelpreis zu verleihen, geht auf einen Beschluss der Sozialistischen Partei Italiens aus dem Jahr 1989 zurück. 1991, beim zweiten Treffen der lateinamerikanischen Kampagne "500 Jahre Indigena-, Schwarzen- und Volkswiderstand", wird beschlossen, die Kandidatur beim Nobelpreis-Komitee in Oslo formell anzumelden. Die früheren Preisträger Aldolfo Pères Esquivel, Oscar Arias und Bischof Desmond Tutu befürworten offen die Bewerbung. In mehreren Ländern Europas, in Kanada, den USA und Japan entstehen Komitees zur Unterstützung der Kandidatur. (...)

In Guatemala selbst kommt die Kampagne nur zögernd in Gang. Zu groß ist die Angst vor Repressalien, sich öffentlich zu der von Präsident Serrano als "Terroristen-Freundin" gebrandmarkten Frau zu bekennen. Um die Bewerbung Menchús zu hintertreiben und der "nationalen Schande" vorzubeugen, dass eine guatemaltekische Indigena, eine Ureinwohnerin, den Nobelpreis erhält, lancieren verschiedene konservative Organisationen sogar einen Gegenvorschlag: Ihre Kandidatin ist Vorsitzende eines Vereins für Blinde und Gehörgeschädigte; vor allem aber ist sie eine Weiße.

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Erst im Sommer 1992 sprechen sich die katholische Bischofskonferenz und die Gewerkschaft der Universitätsdozenten für die Kandidatur Menchús aus. Am 15. Juli schließlich bringen zahlreiche Vertreter politischer, religiöser und kultureller Gruppen ihre Unterstützung in einem "campo pagado", einer bezahlten Anzeige, in der Tageszeitung "La Hora" zum Ausdruck.

Das Marimba-, Gitarren- und Flötenspiel der beiden Musikgruppen geht im tosenden Beifall der fast tausend Anwesenden unter, als Rigoberta Menchú am Nachmittag des 11. Juli 1992 über das Rollfeld die Wartehalle des Flughafens "La Aurora" in Guatemala-Stadt betritt. "Zu den glücklichsten Momenten, die ein Menschenherz erleben kann, gehört der Moment, in dem man in sein Land zurückkehrt", sagt die 33jährige Quiché-Indianerin in einer improvisierten Ansprache. "Wir sind heute vereint, so wie wir es von unseren Vorfahren kennen. Alle, die wir auf diesem Fleckchen Erde geboren sind, das uns allen gehört."

Es ist der erste offizielle Besuch Rigoberta Menchús in ihrem Heimatland, das sie 1981 verlassen hat. Sie ist gekommen, um mit verschiedenen Indigena-Organisationen über die Identität und die Rechte der lateinamerikanischen Ureinwohner zu diskutieren. Die Gespräche sollen eine Sitzung der UN-Kommission gegen Diskriminierung und zum Schutz der Minderheiten vorbereiten, an der Menchú als erste Indigena-Frau (Nachfahrin der Ureinwohner) teilnimmt.

Die Reise wird zu einem Wechselbad der Gefühle. Während viele Menschen am Straßenrand und später in den Dörfern der Rückkehrerin zujubeln, tauchen bereits auf dem Weg vom Flughafen zum Stadtzentrum an den Häuserwänden die ersten frisch gepinselten Parolen auf, in denen die guatemaltekischen Volksorganisationen und auch Frau Menchú als Kollaborateure der Guerilla bezeichnet werden. Am nächsten Morgen rammen in der Ortschaft Chimaltenango zwei Geländefahrzeuge mit getönten Scheiben Menchús Wagen – der erste von insgesamt drei Anschlägen auf ihr Leben während des nur fünftägigen Aufenthalts.

[Reimar Paul, in: Evangelische Zeitung, 1. November 1992]

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Reaktion in Guatemala auf die Preisverleihung

In dem guatemaltekischen Bergdorf San Marcos haben Hunderte von Indios ihre Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú begeistert gefeiert. Jubelnde Menschen säumten die Straßen, um die 33jährige Bürgerrechtlerin zu sehen, die in Guatemala gegenwärtig die Protestaktionen gegen die Feierlichkeiten zum 500. Jahrestag der Ankunft von Kolumbus im Amerika koordiniert.

"Sie ist eine von uns, sie ist eine Frau, die kämpft", sagte Usta Quia Fuentes, die zu Fuß aus einem Nachbardorf gekommen ist. Bewegt winkte Frau Menchú der Menschenmenge von der Ladefläche eines Kleintransporters zu, der sie von der Hauptstadt nach San Marcos zurückbrachte. In Guatemala-Stadt war sie nach der Nachricht der Preisverleihung nur kurz geblieben. "Meine Leute warten auf mich", erklärte sie den Journalisten.

Die Regierung des vom längsten Bürgerkrieg in Mittelamerika heimgesuchten Landes reagierte zwiespältig auf die Entscheidung des Nobelpreiskomitees. In einer offiziellen Erklärung des Büros von Präsident Jorge Serrano wird der Erwartung Ausdruck verliehen, dass Frau Menchú "den Einfluss und die Autorität der Auszeichnung nutzen" kann, um eine friedliche Lösung für Guatemala herbeizuführen. Außenminister Park sagte jedoch, er sei gegen die Ehrung Menchús, "weil sie zu bestimmten Gruppen gehört, die Guatemala in Gefahr gebracht haben". (...)

Der Sprecher des Guerilladachverbandes Vereinigter Nationaler Widerstand Guatemalas, Miguel Sandoval, sprach in Mexiko-Stadt von der "ersten guten Nachricht, die die Ureinwohner Guatemalas in 500 Jahren erhalten haben". Auch Oscar Arias, ehemaliger Präsident von Costa Rica und Friedensnobelpreisträger des Jahres 1987, bezeichnete die Entscheidung der Jury als "Anerkennung von 500 Jahren der Missachtung und Diskriminierung".

[AP-Meldung, 18. Oktober 1992]

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Rigoberta Menchú hat tiefgreifende Reformen in Guatemala gefordert, mit denen eine gerechte Beteiligung der indianischen Bevölkerungsmehrheit an der Regierung ermöglicht werden soll. Die Regierung müsse auf die Forderungen der Ureinwohner eingehen. "Echte Beteiligung der Indios bedeutet, dass einige Regeln in Guatemala hier geändert werden müssen."

Frau Menchú sagte, sie wolle verhindern, dass die Proteste gegen die Feiern zum 500. Jahrestag der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus vergessen würden. Der Nobelpreis solle das Bewusstsein für die Unterdrückung der Indios wach halten. Frau Menchú bestritt jedoch, nun die Repräsentantin der Indianer geworden zu sein: "Niemand hat die politische und moralische Autorität, heute zu entscheiden, wer die Indianer vertritt." Diese Entscheidung müsse den örtlichen Basisgruppen überlassen werden.

"Betrug, Sturheit, Kurzsichtigkeit und das Ego derjenigen, die die Macht haben, haben die Gesellschaft korrumpiert und dazu geführt, dass die Menschen glauben, sie seien die Herren der Erde – und nicht ihre Kinder", sagte die Menschenrechtskämpferin weiter. Guatemalas Staatspräsident Jorge Serrano warf sie vor, seine wahre Haltung zu der Verleihung des Preises an sie verborgen zu haben. Sie habe zahlreiche Gratulationen aus dem Ausland bekommen, bevor der Präsident sie angerufen habe. Sie hoffe aber, dass Anschuldigungen der Armee, sie sei Kommunistin oder Aktivistin im bewaffneten Widerstand, nun aufhören werden. Mit solchen Vorwürfen würden die Sicherheitskräfte "den Friedensnobelpreis selbst angreifen".

[Reuter-Meldung, 19. Oktober 1992]

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