Widerstand

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Der schwarze Widerstand in Südafrika

Man kann die Geschichte des Widerstands in Südafrika in zwei Phasen teilen. Die erste Phase war der Versuch der Eingeborenen, ihre Unterwerfung durch die Kolonialmacht abzuwehren und ihre Eigenständigkeit zu bewahren. In der zweiten Phase bezeichnet der Begriff des Widerstandes den Kampf der Kolonisierten, die Kolonialherrschaft zu beseitigen oder zumindest eine rechtliche Gleichstellung mit den Kolonialherren zu erlangen. Wir wollen uns in diesem Abschnitt der zweiten Phase des Widerstandes widmen, dem Widerstand im 20. Jahrhundert.

Mit zunehmender Repression wurde der Widerstand in Südafrika im Laufe des 20. Jahrhunderts immer heftiger, so dass 1986 der Staatsnotstand ausgerufen wurde und nahezu bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten. Am Widerstand waren unzählige Organisationen und Bewegungen beteiligt, die hier nicht alle genannt werden können. Ziel dieses Abschnitts ist es, die wichtigsten Akteure und ihre Strategien vorzustellen.

Zusätzliche Materialien:

Weitere Abschnitte befassen sich mit der Person Nelson Mandelas und der Überwindung der Apartheid. Außerdem stehen Dokumente zu diesem Thema zur Verfügung, etwa die "Freedom Charter" von 1955 oder die berühmte Rivonia-Rede Mandelas.

Übersicht über die vorgestellten Organisationen

African National Congress (ANC)

Black Consciousness Movement (BCM)

United Democratic Front (UDF)

National Forum (NF)

Pan Africanist Congress (PAC)

Inkatha Freedom Party (IFP)

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African National Congress (ANC)

Der ANC ist die traditionelle und wichtigste Plattform, auf der sich die Mehrheit der Schwarzen organisieren. 1912 wurde als Reaktion auf den Ausschluss der Schwarzen vom politischen Prozess der South African Native National Congress (SANNC) gegründet, der dann 1923 den Namen ANC erhielt. Bis 1940 war der ANC eine relativ schwache Organisation, was auf den Mangel an straffer Führung und Verwaltung und auf das Fehlen eines klaren politischen Programms zurückzuführen war, woraus wiederum geringe Mitgliederzahlen resultierten.

ANC

Man ging daran, den ANC durch eine Jugendliga zu erneuern, die sogenannte ANC Youth League, und rief nun auch die Frauen zur Mitarbeit auf. Nelson Mandela trat der ANC Youth League 1944 im Jahr ihrer Gründung bei. Bis etwa 1949 strebte der ANC eine Gleichstellung aller auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens an.

Mit dem Wahlsieg der Nationalen Partei 1948 und der unmittelbar folgenden Verschärfung der Diskriminierung, Trennung und Repression änderte sich die Politik der Schwarzen: Sie waren nicht mehr bereit, um Zugeständnisse zu betteln, sondern forderten eine gleichberechtigte Beteiligung an der Macht und die Abschaffung ihrer gesetzlich geregelten Entmachtung. Dies gipfelte in der Verkündung der Freedom Charter (1956), welche die Abspaltung des radikalen Flügels des ANC, des Pan Africanist Congress of Azania (PAC), nach sich zog.

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1960 riefen ANC und PAC zu bürgerlichem Ungehorsam in Form einer unbewaffneten Demonstration gegen die Passgesetze auf. Die traurige Folge war das Sharpeville-Massaker, bei dem 69 Demonstranten durch die Polizei getötet und 178 verletzt wurden. Aufgrund der folgenden Unruhen im ganzen Land verbot die Regierung am 8. April 1960 sowohl den ANC als auch den PAC. Die Zeit des gewaltlosen Widerstandes war vorüber und die beiden Organisationen wurden in den Untergrund gedrängt, wo sie die bewaffneten Zweige Umkhonto we Sizwe (ANC: Speer der Nation), und Poqo (PAC: Wir allein) gründeten.

Auf die Gewalt folgte Gegengewalt. Regierungsbüros und elektrische Anlagen flogen in die Luft. 1964 wurde Mandela festgenommen, wenig später der Rest der Führungsgruppe, verurteilt zu lebenslanger Haft. Damit war der schwarze politische Widerstand zunächst gebrochen. Erst in den 70er Jahren, als die südafrikanische Wirtschaft in eine Strukturkrise kam, Angola und Mosambik die Unabhängigkeit bekamen und die Black Consciousness Movement aufloderte, kam es zu Unruhen vor allem unter Studenten und Schülern, die gegen die Einführung des Afrikaans als Unterrichtssprache demonstrierten. Die Schülerrevolte begann in Soweto und dehnte sich dann auf das ganze Land aus. Die Radikalisierung der übrigen schwarzen Widerstandsbewegungen verschaffte dem ANC den Vorteil, dass auch Weiße sich in seine Reihen eingliederten.

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In der Folgezeit entstand in Südafrika eine Gewaltkultur, die kaum kontrollierbar war: Autobomben explodierten in Einkaufszentren, Handgranaten wurden in Restaurants geschleudert, obwohl der exilierte ANC aus dem Hauptquartier in Lusaka (Sambia) anordnete, dass Angriffe nur auf nicht-zivile Ziele beschränkt bleiben sollten.

1986 reagierte die Regierung mit der Ausrufung des Staatsnotstandes. Doch anstelle der Fortführung des Konfrontationskurses besann man sich auf Pragmatismus, beide Seiten streckten ihre Fühler aus. Es kam zu ersten Gesprächen, zum Austausch von Meinungen, Zukunftsvorstellungen. Mandela, obwohl in Haft, führte Gespräche mit dem damaligen Präsidenten Botha, Interessengruppen besuchten das ANC-Hauptquartier in Sambia.

Mandela und de Klerk
[Nelson Mandela und F.W. de Klerk]

Das war die Situation, als F.W. de Klerk mit einem Paukenschlag am 2. Februar 1990 die Lage nachhaltig änderte. Mandela und weitere politische Gefangene wurden freigelassen, das Verbot von 61 politischen Organisationen aufgehoben. Zum ersten Mal in der Geschichte Südafrikas machten sich Schwarze und Weiße daran, eine gemeinsame Zukunft für alle Südafrikaner zu entwerfen.

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United Democratic Front (UDF)

Die UDF wurde 1983 als legaler Arm des ANC gegründet. Anlass war die 1984 von der weißen Regierung verabschiedete Verfassung, welche die schwarze Mehrheit von jeglicher Partizipation ausschloss. Initiator war Allan Boesak, der Präsident des "Weltbundes der Reformierten Kirchen".

Mitglieder der UDF waren etwa 600 Organisationen — Kirchengruppen, Berufsvereinigungen, Sportverbände, Gewerkschaften, Studentenclubs, Frauen- und Jugendvereine quer durch alle Rassen. 1 Million Mitglieder deckten ein sehr breites Spektrum ab: Aktivisten des gewaltlosen Widerstandes der 50er Jahre, Kämpfer der Soweto-Generation, Gewerkschaftler, Kirchenleute, Intellektuelle.

Die Strategie der UDF war die Organisation eines gewaltfreien Widerstandes in den städtischen Townships, so zum Beispiel Massendemonstrationen zum 10jährigen Jahrestag des Aufstandes von Soweto, was die Regierung zum Anlass nahm, den landesweiten Ausnahmezustand zu verhängen.

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Pan Africanist Congress (PAC)

Die Partei spaltete sich 1959 vom ANC ab, weil ihr das multi-rassische Konzept und die Freedom Charter als Verrat am schwarzen Volk erschien. Die Vorherrschaft der Schwarzen war dem PAC zum wichtigsten Programmpunkt geworden, jede Form von Gruppenrechten wurden abgelehnt. Sozialistische Ideen traten hier stärker in den Vordergrund als beim ANC.

Der PAC wurde zusammen mit dem ANC 1960 verboten und ging in den Untergrund, wo der militärische Arm Poqo (Wir allein) gegründet wurde, der aber 1963 zerschlagen wurde. 1990 wurde die Partei wieder zugelassen. Mottos wie "Tötet den Bauern, tötet den Buren!" oder "One settler, one bullet!" prägten die Politik des PAC in der Auseinandersetzung mit weißen Gruppierungen. Die sogenannte APLA (Azanian People´s Liberation Army), der bewaffnete Arm des PAC, hatte 1992 den Weißen den Krieg erklärt und schürte mit Mordanschlägen den Rassenkrieg.

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Black Consciousness Movement (BCM)

Die BCM wurde Ende der 60er Jahre als Nachfolgeorganisation des verbotenen PAC gegründet. Man formulierte unter der Führung Steve Bikos und der südafrikanischen Studentenorganisation (SASO) neue weitreichende Gedanken über das schwarze Selbstbewusstsein (Black Consciousness). Die Schwarzen müssten sich von dem negativen Selbstverständnis befreien, das ihnen die Jahrhunderte der Kolonialherrschaft eingeimpft hatten. Selbstsicherheit und Selbstvertrauen statt der Vorstellung, dass sie ihr Schicksal verdienten und für ihr Wohlbefinden von den Weißen abhängig seien, seien die Voraussetzung für die Aufhebung der physischen und psychischen Unterdrückung. Es ist somit offensichtlich, dass weiße Mitarbeit in diesen Organisationen unerwünscht war.

Schüleraufstand von Soweto

[Schüleraufstand von Soweto 1976]

Die Strategie des BCM umfasste sowohl gewaltsame als auch gewaltfreie Aktionen. Ein Beispiel war der Aufstand von Soweto im Juni 1976, als Schüler gegen die Einführung des Afrikaans als Unterrichtssprache demonstrierten und bis Dezember 700 Tote, zumeist durch Polizeikugeln erschossen, zu verzeichnen waren.

1977 wurden alle Black Consciousness-Organisationen verboten. Tausende junger Aktivisten saßen im Gefängnis, über 14.000 hatten das Land verlassen, um sich den Befreiungsbewegungen anzuschließen, noch mehr waren militarisiert — und Steve Biko war tot.

Die offizielle Version lautete, er sei in Polizeigewahrsam an einem Hungerstreik gestorben. Sein Schicksal war die Vorlage zu Richard Attenborroughs Film "Cry For Help" und Peter Gabriel widmete ihm das Lied "Biko".

Steve Biko

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National Forum (NF)

Das NF wurde 1983 gegründet und ist ein Zusammenschluss unterschiedlichster Gruppen, unter denen die Azanian People´s Organisation (Azapo) die einflußreichste war. Es handelt sich um eine ausschließlich schwarze Organisation in der Tradition des BCM, die den Freiheitskampf als Klassenkampf sieht, in dem die Schwarzen die Arbeiterklasse und die Weißen die Kapitalistenklasse darstellen. Boykottaktionen und Streiks gegen Schulen, Miet- und Fahrpreiserhöhungen wurden organisiert. Zwischen Anhängern der Azapo und der UDF ist es oftmals zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen.

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Inkatha Freedom Party (IFP)

Die IFP wurde gegen Ende der 60er Jahre von Dr. Mangosuthu G. Buthelezi gegründet. Sie war offen für alle ethnischen Gruppen, wurde aber vor allem von Zulus unterstützt und fand im wesentlichen in Kwazulu/Natal breite Unterstützung. Etwa 1 Million ländliche und städtische Schwarze sind darin organisiert.

Ziel der IFP war ein demokratisches Südafrika unter Beteiligung der Weißen an der Regierung und der Beibehaltung des kapitalistischen Wirtschaftssystems, weshalb sie von vielen Schwarzen als Helfershelfer des Apartheidregimes angesehen wurde. Zwischen der IFP und dem ANC bestand ein unversöhnlicher Gegensatz, was sich in zahlreichen gewalttätigen Auseinandersetzungen der Anhänger äußert.

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[Materialien zu diesem Thema: Porträt Nelson Mandelas, Überwindung der Apartheid, Dokumente]

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