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Apartheid

Die Überwindung der Apartheid in Südafrika

Der südafrikanische Staat hatte den schwarzen Widerstand zu Beginn der 60er Jahre fast vollständig zerschlagen. Doch statt Anpassungen vorzunehmen, um die Ursachen und den Nährboden des Widerstandes zu beseitigen, ging sie daran, das Apartheidprogramm zur endgültigen Verwirklichung voranzutreiben.

Die Wirtschaftskrise, Einflüsse der Black Consciousness Bewegung, düstere Zukunftsaussichten und sich verschlechternde Lebensbedingungen in den Städten ließen die Lage Mitte der 70er Jahre erneut explosiv werden. Auslöser für den Schüleraufstand von Soweto, der mit Polizeigewalt niedergeschlagen wurde, war ein Gesetz, infolge dessen die Schüler in Afrikaans, der Sprache der Buren, unterrichtet werden sollten. Die Aufstände dehnten sich über das ganze Land aus.

Wie schon in den 60er Jahren hatten Polizei und Geheimdienste die Lage im Griff. Und dennoch änderte sich etwas. Statt die Apartheidpolitik zu Ende zu führen, nahm die Regierung eine Reihe von Anpassungen vor. Selbstsicherheit und Siegesgewissheit waren erschüttert. Der schwarze Widerstand bestand nicht mehr nur aus einer kleinen Gruppe, die man eliminieren konnte, sondern war zu einer anschwellenden Bewegung geworden, der man nur durch Zugeständnisse beikommen konnte.

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Tracy Chapman hat in ihrem Ende der 80er Jahre berühmt gewordenen Lied "Talking ´bout Revolution" den Geist der Revolte sehr schön eingefangen:

Tracy Chapman

[Tracy Chapman]

Don't you know, they're talkin' bout a revolution
It sounds like a whisper
Don't you know, they're talkin' about a revolution
It sounds like a whisper

While they're standing in the welfare lines
Crying at the doorsteps of those armies of salvation
Wasting time in the unemployment lines
Sitting around waiting for a promotion

Poor people gonna rise up and get their share
Poor people gonna rise up and take what's theirs

Don't you know, you better run, run, run...
Oh I said you better run, run, run...

Finally the tables are starting to turn
Talkin' bout a revolution

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Es folgten Lockerungen der Gesetze hinsichtlich der schwarzen Gewerkschaftsbildung, die Bildungsausgaben für nicht-weiße Rassen wurden erhöht und auch das Gesundheitswesen wurde verbessert. Nach außen am sichtbarsten war die Abschaffung der "petty apartheid", der kleinen Apartheid, in den 70er und 80er Jahren. Doch in den zentralen Fragen waren keine Veränderungen zu verzeichnen. Der Abbau ist jedoch bezeichnend für den Verfall der ideologischen Basis der Apartheid.

Im politischen Bereich waren die Änderungen am zögerlichsten. 1984 trat eine neue Verfassung in Kraft, die einen Versuch des Präsidenten Botha darstellte, Bündnisse mit anderen Rassen zu schließen. Das bislang parlamentarische System wurde durch ein solches mit einem starken Präsidenten ersetzt, und die Gruppen der Weißen, der Mischlinge und der Inder erhielten jeweils eine eigene Parlamentskammer und einen eigenen Ministerrat. In eigenen Angelegenheiten konnten die Kammern selbst entscheiden, in gemeinsamen Angelegenheiten wurde gemeinsam entschieden.

Erkennbar ist die völlige Ausgrenzung der Schwarzen. Hier hatte man an der Homelandideologie festgehalten, wonach die Schwarzen ihre eigenen Gebiete hätten, in denen sie sich politisch betätigen könnten. Eine modifizierte Perspektive lässt aber erkennen, dass es sich bei den Mischlingen und den Indern lediglich um Minderheiten handelte und der eigentliche Grund für die Ausgrenzung der Mehrheit (der Schwarzen) die Wahrung der Rechte der weißen Minderheit war.

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Die Inder und Mischlinge fielen jedoch auf den Schwindel nicht herein: Bei den Wahlen blieben 80% der Wahlberechtigten zu Hause. Statt einer Beruhigung der Situation, entfachten die "Reformen" erneut Proteste. Es entstand eine regelrechte Gewaltkultur: Schwarze Stadträte als Marionetten des Systems wurden ermordet, ihre Büros angezündet; Kollaborateure gejagt, gequält und mit den berüchtigten angezündeten Autoreifen um den Hals bei lebendigem Leibe verbrannt. Autobomben explodierten in Einkaufszentren, Handgranaten wurden in Restaurants geschleudert. 1986 wurde der Ausnahmezustand erklärt. Aktivisten wurden bis nach Paris und London verfolgt, in Südafrika selber eingesperrt. Innerhalb von drei Monaten hatte man 20.000 Aktivisten festgesetzt.

Entgegen allen Erwartungen vertiefte Präsident Botha die Reformen nicht, sondern verharrte in Untätigkeit. Das löste Missbilligung nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland aus. Scharfe Sanktionen und einschneidende diplomatische Maßnahmen der wichtigsten Handelspartner Südafrikas drängten das Land zusehends in eine wirtschaftliche Krise und in die außenpolitische Isolation. Südafrika schien kurz vor dem Zusammenbruch zu sein. Die Apartheid hatte das Land endgültig in die Sackgasse geführt.

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Elinor Herrmann, Mitglied der Black Sash — einer weißen, liberalen Frauenorganisation — trug im November 1984 zum 80. Geburtstag der Witwe des ermordeten ANC-Führers Luthuli das folgende Gedicht vor, das die Situation treffend beschreibt:

Peaceful change now,
How?
Time runs faster then human minds
Are capable of changing.

Time dictates the beat much faster
Then pulses throb.
Time will slash them open
To free the sap of life.

Peaceful change now,
How?
Many chances missed,
changes outvoted.

Many petitions rebuffed,
pleas ignored.
Many enactments established,
rights abolished.

Hate created – Trust
Exterminated.
Peaceful change now,
How?

 

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Doch wie Mandela später in seiner Autobiographie schrieb, "sind die aussichtslosesten Momente häufig genau der richtige Zeitpunkt, um eine neue Initiative zu starten." Und so kam es zu ersten Gesprächen mit Arbeitskreisen und Interessengruppen, und auch mit Botha selbst. Man lernte mehr über die Ängste der Weißen vor dem Wechsel, vor der Machtübernahme durch die riesige, unbekannte und so sehr gefürchtete schwarze Mehrheit.

Das war der Stand der Dinge, als 1989, nach einem Schlaganfall Bothas, Frederik Wilhelm de Klerk an die Macht kam. De Klerk hatte niemals einen Hehl aus seinem Willen gemacht, grundlegende Reformen durchzusetzen. In seiner berühmt gewordenen Rede zur Parlamentseröffnung am 2. Februar 1990 konstatierte er das Scheitern der Apartheidpolitik. Er kündigte folgende Maßnahmen an:

bullet

die Freilassung Mandelas;

bullet

die Aufhebung des Verbots von 61 politischen Organisationen;

bullet

die Verpflichtung zu Verhandlungen über ein allgemeines Wahlrecht.

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Damit stand Südafrika vor den einschneidensten Reformen seiner Geschichte. Die Apartheidgesetze wurden nach und nach aufgehoben, die Apartheid überwunden. Nun galt es, nachhaltige Lösungen für ein demokratisches Südafrika zu finden.

[Zusätzliche Materialien: Porträt Nelson Mandelas, Südafrika heute, Widerstand; einen hervorragenden Einblick in die Geschichte der Unterdrückung und des Widerstands vermittelt die Verteidigungsrede Mandelas im Rivonia-Prozess, die zu den wichtigsten Dokumenten der Apartheid zählt]

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