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Bestandteile des Apartheidregimes (II): Die Versuche der rassischen Klassifizierung: Registrierung nach Rassen

1950 wurde das "Gesetz über die Erfassung der Bevölkerung", der "Population Registration Act", erlassen. Alle Südafrikaner wurden in ein sogenanntes Rassenregister eingeordnet. Es entstand eine "Behörde für Rassenklassifizierung", die diesen Prozess überwachte. Die Zuordnung zu einer Gruppe erfolgte aufgrund von Kriterien wie äußere Erscheinung, allgemeine Akzeptanz und Ansehen. Da dies zum Teil auch soziale Kriterien waren, konnte man umqualifiziert werden. Die Zuordnung in die eine oder andere ethnische Gruppe entschied über politische Rechte, soziale Beziehungen, Ausbildungschancen und wirtschaftlichen Status.

Doch viele der Zuordnungen waren sehr opportunistisch, wie etwa im Falle Japans oder Israels. Da Südafrika gute Beziehungen zu Israel und Japan hatte, wurden Angehörige dieser Bevölkerungsgruppen zu Weißen klassifiziert. Man kann sich vorstellen, wie dieses System ausartete, vor allem in einem multikulturellen Schmelztiegel wie Südafrika, in dem alle Hautfarben in allen Schattierungen vorhanden sind. Um dieser Schwierigkeit zu begegnen, führte man den Passzwang ein. Danach war jeder Südafrikaner verpflichtet, einen Pass mit sich zu führen, der unter anderem seine Rassenzugehörigkeit angab.

Drei Beispiele veranschaulichen den absurden Versuch, eine Gesellschaft rassisch zu klassifizieren:

bulletWie wird man eine Coloured?
bulletRaymond Du Proft
bulletUmklassifizierungen

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Wie wird man eine Coloured?

Carol — hübsch, hellblond, langbeinig — hatte sich auf einer jener schicken gemischtrassigen Kapstädter Partys mit Percy Sledge, einem farbigen amerikanischen Popsänger, fotografieren lassen. Das Bild, das tags darauf die Zeitungen veröffentlichten, ließ gestandenen Berufsburen das Blut in den Adern gefrieren: Blondchen Carol mit gelupftem Minirock, vor ihr kniend der US-Exote, sein Autogramm auf den nackten Schenkel der Gespielin kritzelnd. Das war Rassenschande im Quadrat. Die Burenpresse überschlug sich vor Empörung "Da sieht man genau, wie weit es unter der gegenwärtigen Regierung kommen muss", rief ein nationalistischer Abgeordneter im Parlament seinem nationalistischen Premier zu. "Jetzt benutzen die Schwarzen in weißen Hotels schon unsere Frauen als Schreibunterlage!"

Doch ehe es zu Pogromen kommen konnte, ließ das staatliche Rassenamt die Luft aus dem vermeintlichen Skandal. Behördlicherseits verlautete in einer Presseerklärung, der Vorgang stehe im vollen Einklang mit den Gesetzen. Miss Busch sei eine Coloured. Der Fall war schlagartig für die Afrikaans-Zeitungen gestorben. Nur die englischsprachigen Blätter schickten ihm noch ein paar hämische Kommentare hinterher.

[entnommen aus: Erich Wiedemann, "Wir reiten, bis wir im Blut versinken", Rassenstaat Südafrika, Hamburg 1981, 27]

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Raymond Du Proft

Seit 1950 wird jeder Südafrikaner nach dem sogenannten "Population Registration Act" einer bestimmten ethnischen Gruppe zugeordnet. Denn nachdem die Rassen getrennt werden sollten, war es notwendig zu wissen, zu welcher Rasse jede Person gehörte. Schließlich musste jeder einen Personalausweis mit sich führen, der die Zugehörigkeit zu einer Rasse deutlich machte.

Von Anfang an erwiesen sich die Versuche, in einer Bevölkerung, die so vielfältig ist wie diejenige Südafrikas, zu einer Definition der einzelnen Rassen zu kommen, als außerordentlich schwierig. Wie jeder gelegentliche Besucher weiß, gibt es in Südafrika jegliche Hautfarbe, von weiß bis schwarz und viele Schattierungen dazwischen. Die Kriterien zur Bestimmung der Rassenzugehörigkeit sollten sein: die äußere Erscheinung, die allgemeine Akzeptanz und das Ansehen, aber einige der frühen Klassifizierungsprozeduren waren äußerst grob. Weiße Beamte sollen gelegentlich die sogenannte "Bleistift-im-Haar-Technik" angewandt haben. Wenn ein Bleistift in das Haar eines Antragstellers geschoben wurde und dort stecken blieb, weil das Haar kraus war, wurde er als Afrikaner klassifiziert. Fiel der Bleistift heraus, weil das Haar glatter war, dann galt er als Coloured...

Von allen Geschichten über verborgene Ängste und Sorgen, hervorgerufen durch Südafrikas Rassegesetze, ist wahrscheinlich keine typischer als die Erfahrung des in Belgien geborenen Südafrikaners Raymond Du Proft.

"Im Jahre 1950, gerade nach der Einführung des Immorality Act und der neuen Registrierungsgesetze, (...) lernte er eine Kellnerin namens Diane Bassick kennen, die in einem Kapstadter Restaurant arbeitete. Sie verliebten sich, aber da sie als Coloured galt — ihre Mutter war Weiße und ihr Vater unbekannt — konnten sie sich nur heimlich treffen. Du Proft erinnerte sich, wie groß ihre Angst war, entdeckt zu werden (...), aber nach einiger Zeit gingen sie das Risiko ein und zogen zusammen. Als ihr erster Sohn sechs Jahre später geboren wurde, bezogen sie ein Haus in einem Viertel, wo Afrikaaner lebten und gaben sich als weißes Ehepaar aus. Schließlich hatten sie 5 Kinder, die alle als Coloureds klassifiziert wurden. Nach dem Gesetz hätten sie in eine Schule für Coloureds in einem anderen Viertel gehen müssen, aber um den Schein aufrechtzuerhalten, weiß zu sein, behielten die Du Profts ihre Kinder zu Hause und unterrichteten sie so gut sie konnten selbst. Regelmäßig beantragten sie, dass Diane und die Kinder als Weiße anerkannt werden sollten und genauso regelmäßig wurde ihr Antrag abgelehnt. Also blieb eine Eheschließung (unter der damaligen Gesetzeslage) unmöglich. Als ihr ältester Sohn Graham 19 war, begann er mit einer Burin auszugehen. Das Mädchen wurde schwanger. Doch wiederum war eine Heirat ausgeschlossen, da sie laut Klassifikation unterschiedlichen Rassen angehörten. Grahams Antwort auf diese verzweifelte Situation war, dass er sich vor einen Zug warf. Er war sofort tot.

Einige Wochen später wurden die anderen 4 Kinder der Du Profts als weiß registriert (...)."

Diane Bassick wurde erst Ende 1980 als reklassifizierbar angesehen, nachdem sie ihre weißen Freunde gebeten hatte, ihr schriftlich zu bestätigen, dass sie als Weiße akzeptabel sei, und dieses dem Gericht vorlegen konnte.

[entnommen aus: D. Harrison, The White Tribe of Africa. South Africa in Perspective, Berkeley 1982, 173f.]

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Umklassifizierungen

Noch 1986 gab es eine große Anzahl von Umklassifizierungen:

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9 Weiße zu Mischlingen

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2 Weiße zu Malaien (eine Untergruppe der Asiaten)

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506 Mischlinge, 14 Malaien, 9 Inder, 7 Chinesen und 1 Griqua zu Weißen

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40 Mischlinge zu Schwarzen

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666 Schwarze zu Mischlingen

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87 Mischlinge zu Indern

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67 Inder zu Mischlingen

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26 Mischlinge zu Malaien

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50 Malaien zu Indern

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61 Inder zu Malaien

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4 Griqua zu Mischlingen

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4 Mischlinge zu Griqua

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2 Griqua zu Schwarzen

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18 Schwarze zu Griqua

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12 Mischlinge zu Chinesen

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10 Schwarze zu Indern

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2 Schwarze zu Malaien

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5 Schwarze zu "anderen Asiaten"

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2 "andere Mischlinge" zu Indern

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1 "anderer Mischling" zu einem Schwarzen

[entnommen aus: André E.A.M. Thomashausen, Abbau der Apartheid. Bilanz der Reformen 1978-1986, Deutsch-Südafrikanische Gesellschaft e.V., o.O., o.J., 3]

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[Weitere Bestandteile des Apartheidregimes: Homelands, Gesellschaft, Wirtschaft, Politik]

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